Einsteiger-Oldtimer: Rarität, Sportlimousine oder doch lieber Oberklasse?
Eine Frage des Geldes: Unsere drei automobilen Fotomodelle stehen stellvertretend für die Preisspanne von 5.000 bis 15.000 Euro.
Welche alltagstaugliche Limousine gibt es jeweils für maximal 5.000, 10.000 oder 15.000 Euro? Je ein Fahrzeug jeder Preisklasse haben wir stellvertretend für unsere Titelgeschichte ausgewählt, über 300 weitere hat Halwart Schrader in seiner Marktübersicht ab Seite 22 in dieser AUTO CLASSIC für Sie zusammengestellt.
Mit hohen Werbebudgets bauen Autohersteller das Bild ihrer Marke in der Öffentlichkeit auf, um uns zum Kauf zu verleiten. Und bei Oldtimern? Auch da spielt das Image der Marke und des Wunscholdies oft eine Rolle bei der Kaufentscheidung – aber nicht immer. Manchmal liegt der Grund schlicht daran, dass Papa so einen Wagen hatte oder dass wir uns als Knirpse die Nase an der Seitenscheibe plattdrückten, um einen Blick auf einen Tacho zu werfen, der bis 180 oder gar 200 Kilometer reichte. Und so kaufen wir uns mit manchem Automobil auch ein Stück Kindheit zurück – dieses Gefühl ist unbezahlbar.
Doch wie sieht es mit den Autos aus? Für bereits rund 5.000 Euro finden wir einen einst nahezu unkaputtbaren 76er Opel Rekord in sehr gutem Zustand. Ein solider Volvo Amazon im Zustand 2- schlägt heute mit knapp 10.000 Euro zu Buche. Oder soll es doch gediegene Eleganz sein? Preislich von jeher in einer anderen Liga spielten die Autos mit dem Stern auf dem Kühlergrill, aber schon für spürbar unter 15.000 Euro gibt es im Markt auch Prestige und Klasse vom Schlage eines S-Benz der Baureihe W 108.
Opel Rekord D Millionär
Starten wir in der unteren Preisklasse. 1971 lief in Rüsselsheim der 10.000.000 Opel vom Band. Im selben Jahr lief die Produktion der neuen „oberen Mittelklasse“ des Hauses an, des Rekord D, der damals nach dem Rekord A, B und C aber als Rekord II vorgestellt wurde (man wollte mit dem Buchstaben D nicht den Eindruck erwecken, dass es den neuen Rekord nur als Diesel gäbe – ein Selbstzünder sollte schließlich erst 1973 kommen). Opel präsentierte seine neue Generation in der zeitgenössischen Werbung erstmals stolz als „mit dem Computer berechnetes“ Modell. Fünf Varianten boten die Rüsselsheimer an: zwei- und viertürige Limousine, drei- und fünftüriger Kombi, bei Opel stets Caravan genannt, sowie ein optisch gefälliges Coupé.
Die Motoren kommen aus dem damals so noch nicht genannten Baukasten des Hauses: 1,7 Liter mit mindestens 60 PS, als S auch mit 83 Pferden, der 1,9 Liter liefert 75–97 Pferdestärken und das Topmodell mit Zweilitermotor leistet stattliche 100 PS und war damit für damalige Verhältnisse respektabel motorisiert.
Zum Vergleich: Ein VW Käfer zuckelte mit maximal 125 km/h, während der 2000er mit immerhin 165 km/h auf der linken Spur weit vorne mitfuhr. Das konnte man vom 2,1-Liter-Diesel wirklich nicht behaupten. Der am charakteristischen Buckel in der Motorhaube erkennbare „Nerv-Nagler" brachte es auf müde 60 Ackergäule, die gerade für 135 Kilometer (falls die zähe Dreistufenautomatik installiert war, sogar nur 127 Stundenkilometer) in der Spitze Spitze gut waren – da ging mancher Volkswagen besser! Chuck Jordan hat den Rekord II gestaltet, doch dabei hat er offensichtlich weniger an den konstruktiven Rostschutz gedacht. Einige Hohlräume rosten am Opel besonders schnell durch. Achtung: Besonders die Schweller sind mittlerweile meist mehrlagig „reparaturge- schweißt“
Unser Fotomodell ist wahrlich ein besonderes. Nicht nur, weil die meisten Alltagsautos der 70er-Jahre rostbedingt bereits oft schon nach nur sieben Jahren vom TÜV abgemeldet wurden. Nein, diesen Rekord schenkte sich Opel schon vor dem millionsten Geburtstag, wie der zeitgenössische Prospekt von 1976 verschwurbelt formuliert: „Noch in diesem Herbst überschreitet der D-Rekord die Millionengrenze. Dieser Erfolg wird gefeiert: mit der exklusiven Sonderserie – Rekord-Millionär.“ Und die Rüsselsheimer Marketingstrategen haben wirklich alles eingepackt, was damals gut und teuer war. Unser „pastellbeige“ lackierter viertüriger „Millionär“ steht außergewöhnlich proper da.
Von vorn erkennbar am mattschwarzen Kühlergrill, den Nebelscheinwerfern, und den kleinen Wischern (nur beim Viertürer) vor den H-4-Leuchten. Seitlich zieren „Schutzleisten mit PVC-Einlage“, je ein „Millionär“-Aufkleber am Kotflügel darunter und verchromte Radringe die stattliche 4,57-Meter-Limousine. Fast schon verschwenderisch üppig geht es im Innenraum der „Berlina“-Ausstattung zu. Feinstes Velours, wohin das Auge blickt – „selbst auf der Tunnelkonsole und der Hutablage“, wie es in der einstigen Opel-Broschüre heißt.
Zusätzlich eine opulente Instrumentierung mit Drehzahlmesser, Öldruckanzeige und Voltmeter hinter einem Vierspeichenlenkrad. Ein von innen verstellbarer Außenspiegel und reichlich Kunstholz sorgen für behagliche Atmosphäre. Der Clou allerdings ist der vom Fahrersitz aus elektromagnetisch entriegelbare Kofferraumdeckel, der auf Knopfdruck aufspringt. Für angemessenen Vortrieb sorgt der Zweiliter-Vierzylinder, der bereits über moderne Hydrostößel verfügt, was das Einstellen des Ventilspiels überflüssig macht. Kurzum: Für rund 15.000 Mark bot der Rekord reichlich von dem, was man damals unter Luxus verstand.
Der heutige Besitzer des 76er-Rekord dieser Geschichte hat den Wagen im Jahr 2003 gekauft. Der 35-jährige Diplom-Ingenieur ist quasi auf der großzügigen Rückbank dieses Modells aufgewachsen – sein Vater kaufte im Geburtsjahr des Sohnemanns einen Opel Rekord D „Berlina“, um den Familienzuwachs angemessen transportieren zu können. Als Opel-Clubmitglied stehen in der heimischen Garage des Straubingers übrigens noch weitere Fahrzeuge mit dem Blitz im Grill; die täglichen Transportaufgaben übernimmt ein Ford Sierra 1.6i.
Opel – Der Zuverlässige?
Die grundsätzlich anspruchslose Technik des Rekord ist millionenfach bewährt, schließlich war er mit über 1,1 Millionen verkauften Exemplaren das erfolgreichste Auto dieser Klasse in Europa. Nur, wo sind sie alle geblieben? Einen gut erhaltenen und gepflegten Rentner-Rekord zu finden, scheint schwieriger als einen originalen Bugatti T35. Viele Autos wurden im harten Alltag verschlissen und landeten schließlich bei der meist übermütigen Landjugend in Siebthand.
Die Tuning-Exzesse sind zwar heute fast schon wieder salonfähig, doch wer ein originales Auto finden möchte, der muss meist lange suchen. Fündig geworden, sollte man sich zunächst den Schwächen der sonst so zuverlässigen Opel widmen. Fast schon ein chronisches Markenärgernis waren die offensichtlich schwachen Wasserpumpen. Erfahrene Opelaner berichten vom Austausch des Aggregats im 60.000-Kilometer-Rhythmus. Das ist im Grunde nicht weiter tragisch, nur wer das Problem auf flotterer Hatz über die Landstraßen dauerhaft ignoriert, riskiert einen kapitalen Motorschaden.
Das gilt sinngemäß auch bei Unrichtigkeiten im Kühlsystem. Wenn nämlich irgendwann einmal das Wasser im Kühlsystem fehlt, kann der Temperaturfühler nur die Umgebungsluft messen. Die Folge: Die Nadel im Cockpit bleibt im blauen Bereich und signalisiert, der Motor sei noch kalt. Wenn dann allerdings später weißer Rauch aus dem Auspuff kommt, ist das Malheur bereits passiert, und Sie können – im besten Fall – schon mal einen Mechaniker mit dem Austausch der durchgebrannten Kopfdichtung beauftragen. Eine Sonderstellung nehmen die fast baugleichen Modelle Commodore ein, die immer mit Sechszylindern ausgestattet waren und dementsprechend beliebter und damit meist teurer auf dem Gebrauchtmarkt sind.
Volvo P 122 S
Wer um die 10.000 Euro in einen alltagstauglichen Klassiker, der auch der ganzen Familie Spaß macht, anlegen kann, der landet bei unserem zweiten Vergleichsteilnehmer. Volvo kommt aus dem Lateinischen und bedeutet: Ich rolle. Und wahrlich, weit und lange ist er gerollt, der Amazon, der außerhalb Schwedens so nicht heißen durfte, weil der Name in Deutschland vom Zweiradhersteller Kreidler aus Kornwestheim geschützt war. So wurde für das Ausland aus der Baureihenbezeichnung P 120 der Name.
Der Amazon kam bereits 1956 und wurde immerhin 14 Jahre lang bis 1970 gebaut – allerdings trotz der langen Fertigungsspanne im Vergleich zum Rekord schon fast in überschaubarer Stückzahl. Etwas über 660.000 Exemplare verließen die Fertigungsbänder in Göteborg und im belgischen Gent. Allerdings war das Modell ein echter Exportschlager, der sogar in den USA (fast 50 Prozent der Produktion gingen dorthin) unter den intellektuellen Kunden der Ost- und Westküste sehr beliebt war.
Nicht zuletzt auch, weil Volvo es schaffte, sich als rollendes Synonym für Sicherheit zu etablieren. Bereits in den 50er-Jahren hatte Volvo Crashtests im Entwicklungsprogramm. Die Folge: Ab 1959 statteten die Schweden ihre Modelle als erster Hersteller serienmäßig mit Dreipunktgurten vorne aus. Zur Erinnerung: Bei uns in Deutschland kam eine Anschnallpflicht vorne erst im Januar 1976 und stieß seinerzeit auf heftigen Widerstand in der Bevölkerung. Und auch die Fabel vom Schwedenstahl (in Verbindung mit einer gewissen Rostvorsorge), der haltbarer als die Recyclingstähle heimischer Produzenten sein sollte legte die Basis für das anerkannt gute Image von Volvo.
Den Amazon gab es als Zwei- (1961–1970) und Viertürer (bis 1967), sowie als Kombi. Für den Vortrieb sorgten robuste Motoren, die durchaus als sportlich zu bezeichnen sind. Anfangs erhältlich war ein 1,6-Liter-Vierzylinder der zunächst 60 und (ab 1958) schließlich 83 PS leistet. Drei Jahre später wuchs der Hubraum auf 1,8 Liter, und die Leistung stieg auf bis zu 103 PS (Basisversion 68 PS).
Wegen der gestiegenen Leistungswerte wurde die Kurbelwelle des Vierzylinders nun fünf- statt dreifach gelagert. Ebenfalls 1961 stellten die Schweden auf 12-Volt-Elektrik um. 1968 schließlich erhielt der Motor nochmals mehr Hubraum und lieferte nun aus zwei Litern zwischen 82 und 100 PS. Nur bis etwa 1958 hatte der Amazon ein Dreiganggetriebe, welches optional mit einem drehzahlschonenden Overdrive ausgestattet werden konnte. Danach sortierte der Schwedenhappen vier Fahrstufen, ebenfalls wahlweise mit Overdrive. Seit Ende 1963 konnte die Amazon auch mit einer Dreistufenautomatik von Borg-Warner geordert werden.
Unser Amazon-Testexemplar fand seinen Weg über Österreich nach Deutschland und dient einem Münchner Unternehmer seit zehn Jahren als vollwertiger Alltagsoldie. Zugegeben, in der heimischen Garage stehen noch weitere Schätzchen und ja, auch, ein „normaler“ Wagen für die Langstrecke. Doch dass der 57-Jährige es im Alltäglichen ernst meint mit seinem Amazon, zeigen die hinter dem Fahrersitz bereitliegenden Schneeketten.
Respekt, das haben wir bei AUTO CLASSIC in einem Oldie noch nicht gesehen. Der in dunkelblau lackierte Zweitürer steht glänzend da. Kein Wunder, mit gerade einmal knapp 120.000 Kilometern (auf dem Tacho prangen damit „nur" 20.000 Kilometer) und einem guten Zweitlack sieht man dem alten Schweden seine 43 Jahre nicht an. Im Innenraum erkennt man die fachmännische Arbeit eines Sattlers, der die Polster im Originalstoff bezogen hat.
Auf dem gepolsterten Armaturenträger thront ein Drehzahlmesser aus der – damals sehr kurzen – Volvo-Extra-Liste. Auf der Landstraße zeigt der P 122 S, was in ihm steckt. 100 PS treffen auf knapp über eine Tonne Leergewicht, dazu ein durchaus straff abgestimmtes Fahrwerk – so macht das Hobby richtig Spaß. Nur eine Kleinigkeit stört ein wenig: Der Volvo hat in diesem Klassikertrio eindeutig den längsten Schalthebel, was die Bedienkräfte zwar verringert, aber der Präzision etwas abträglich ist. Dafür punktet der Schwede mit seinem guten Raumangebot und dem ordentlichen und sportlich angehauchten Fahrkomfort.
Robuster Schwedenstahl?
Die Schweden lieben ihre Autos, was sich am ungewöhnlich hohen Oldtimerbestand (auch wegen der allgemein guten Rostvorsorge) und dem oft sehr guten Pflegezustand der Fahrzeuge festmachen lässt. Traditionell fanden viele historische Saab und Volvo aus Skandinavien ihren Weg zu uns nach Deutschland. Technisch basiert der Amazon weitgehend auf seinem Vorgänger PV444/544, dem ersten Volvo überhaupt, der wegen seiner Karosserieform Buckel genannt wurde.
Mancher Amazon wurde gerne auch wegen seiner sportlichen Gene beherzt abseits befestigter Wege auf Rallyes und Rennstrecken eingesetzt und per Leistungskur auf Sportsgeist getrimmt. Solche Autos sollten Interessenten besonders genau checken. Wer motorsportlich unterwegs war, landet gelegentlich auch mal in der Leitplanke. Dass bei ambitioniertem Einsatz auch Fahrwerk, Buchsen und Lager über Gebühr beansprucht werden, muss wohl nicht gesondert erwähnt werden.
Achtung: Als etwas weniger langlebig erwiesen sich die B20-Motoren mit zwei Litern, die nicht an die Haltbarkeit der kleineren Aggregate herankamen. Besonderes Augenmerk sollten Interessenten bei Modellen aus den USA, einem traditionell starken Volvo-Markt, walten lassen. Virtuose Blechkünstler zaubern dort aus etwas Drahtgeflecht und Spachtel immer wieder zweifelhaft „schöne“ Oberflächen. Die Ersatzteilversorgung des Amazon kann insgesamt als gut bezeichnet werden, das Marktangebot des voll familientauglichen Viersitzers ist durchschnittlich.
Mercedes 280 SE Automatik
Mit unserem dritten Fahrzeugkandidaten wagen wir uns in den 15.000-Euro-Bereich. Wie kaum ein anderes Modell bei uns in Deutschland steht die S-Klasse (offiziell erst ab der W-116-Baureihe so genannt) von Mercedes-Benz für Überfluss und Luxus. Stets hatten die Schwaben die zahlungskräftigere Klientel im Blick. Mit dem Nachfolger der „langen Heckflosse“, dem intern W 108 genannten Viertürer, war dies genauso. Anfang 1965 wurde der technisch verwandte Nachfolger des 220 S als 250 S präsentiert. Als SE leistete er mit 150 PS gerade 20 PS mehr, was sich die Autobauer aus Untertürkheim jedoch mit stattlichen 1.550 Mark Mehrpreis entlohnen ließen. 1966 kam der 300 SEL, der ebenfalls „nur“ 2,8 Liter Hubraum, aber 170 PS bot und ausschließlich als Langversion (plus zehn Zentimeter) angeboten wurde.
Zudem war er mit einer komfortablen Luftfederung ausgestattet. Diese Modelle mit Alumotor erhielten den internen Werkscode W 109, sind wie die technisch eng verwandten Coupés und Cabrios (W 111) allerdings eine andere Geschichte wert. Zurück zum 108er: Im Januar 1968 gab es für ihn neue Motoren, nun stand auf dem Kofferraumdeckel entweder 280 S oder 280 SE, und eine Servolenkung war jetzt serienmäßig im Lieferumfang enthalten. Bemerkenswert für die damalige Zeit waren am W 108 die Scheibenbremsen ringsum, wohlgemerkt ohne Aufpreis! Der Karosserieentwurf stammte von Paul Bracq, einem Franzosen, der auch die Linie der Pagode und des 600 bestimmte.
Nach seiner Zeit als Mercedes-Chefdesigner zeichnete er übrigens den französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV und ging schließlich 1970 zu BMW. Im September 1972 lief der letzte 108er vom Sindelfinger Band. Nachfolger war der barocke Typ W 116, der es nicht nur als 6,9 SEL zu einer gewissen Berühmtheit brachte.
Unser Testobjekt stammt aus dem letzten Baujahr der Modellreihe. Ein Arzt aus Bayern übernahm den weißgrauen Benz im Mai 1972. Der Erstbesitzer hat ihm ein elektrisches Schiebedach, Automatik und ein Becker-Radio (was später durch ein Stereomodell Marke Blaupunkt Essen ersetzt wurde) gegönnt. Sein heutiger Besitzer bewegt ihn bereits seit 18 Jahren, allerdings nur auf gelegentlichen Ausfahrten. Der blaue Polsterstoff im Innenraum ist an einigen Stellen zwar schon etwas ausgeblichen, aber nirgends durchgescheuert, was für die geringe Laufleistung von nur knapp 190.000 Kilometern spricht.
Beide Schweller wurden jedoch mittlerweile – alterstypisch – fachmännisch ausgetauscht, und auch der Unterboden verlangt demnächst nach einem kundigen Handwerker mit Schweißkenntnissen. Mechanisch zeigt sich der Reihensechszylinder unauffällig. Sanft schnurrt er, der 2,8er, und auch die Automatik reicht die drei Fahrstufen ruckfrei weiter. Unproblematischer und entspannter kann man mit Oldtimern heutzutage wohl nicht reisen. Die Ersatzteilversorgung ist markentypisch gut – und das zu durchaus bezahlbaren Kursen. Nur die reichlich verwendeten Chromteile lassen sich die Schwaben preislich fast vergolden.
Ein grundsolider Schwabe?
Wenn die Karosserie längst durchgerostet ist, könnten die Reihensechszylinder des W108 noch jahrelang als Notstromaggregat laufen, so solide bauten die Schwaben einst ihren Antrieb. Laufleistungen von 300.000 Kilometern gelten unter Fans der Marke als „gerade eingefahren“. Allerdings galten die 2,5-Liter-Motoren (wie auch in der Pagode) als nicht vollgasfest und quittierten vehementes Heizen auf der linken Spur gerne mit Motorschäden, weshalb dann später vom Viertbesitzer oftmals ein größerer Motor (Papiere mit Datenkarte abgleichen!) verbaut wurde.
Die Getriebe sind überwiegend unauffällig. Allenfalls die Dreistufenautomatik verzeiht mangelnde Aufmerksamkeit nicht. Zu wenig Hydraulikflüssigkeit oder gar Verschmutzungen quittieren die labyrinthartigen Steuerkanäle und ihre vielen federbelasteten Hydraulikventile mit Aussetzern. Auch das Hinterachsgetriebe verlangt nach einem prüfenden Blick auf Ölverlust. Jault es im Schiebebetrieb, oder kommen verdächtige Klackgeräusche vom Fahrzeugheck, kann zudem die Verzahnung an ihrer Verschleißgrenze liegen.
Gelegentlich beklagen S-Klasse-Besitzer auch durchgerostete Tanks. Im Innenraum sollten beim W108 ruhig mal Lüftung und Heizung betätigt werden. Die farbigen Kunststoffdrehräder (wie beim W 113, der Pagode) brechen im Alter gerne ab. Der Austausch ist mühsam und entsprechend teuer. Ebenfalls kostspielig wird es, wenn das Holz in der Hütte wegen intensiver Sonneneinwirkung den schützenden Klarlack eingebüßt hat.
Unschöne Risse in den reichlich vorhandenen Holzzierleisten (sogar die Fensterrahmen sind innen mit jeweils drei Holzleisten dekoriert) sind dann programmiert. Ansonsten zeigt sich der Big-Benz innen von seiner besten Seite: Üppiges Platzangebot und eine hervorragende Verarbeitungsqualität machen den W 108 zum soliden Klassiker für jeden Tag. Und weil so eine S-Klasse oftmals etwas mehr geliebt wurde als andere Autos, haben viele Exemplare überlebt, sodass sich Interessenten ihren Benz-Beau meist nach der Wunschfarbe aussuchen können.
Fazit
Unsere drei Fahrzeuge und ihre Besitzer beweisen, dass der Preis eines Klassikers nicht unbedingt viel darüber aussagt, wie selten, luxuriös oder leistungsstark ein Oldtimer ist: Der preiswerteste Wagen des Trios, der Opel Rekord, ist heute der seltenste der drei, der Volvo bietet am meisten aktives Fahrvergnügen und der ehemals richtig teure Benz bietet für verhältnismäßig kleines Geld das Oberklassegefühl einer Luxus-Limousine der 60er-Jahre und ist in erstaunlich großer Stückzahl im Markt verfügbar.
Die abschließende Frage bleibt: Für welches Auto entscheidet man sich? Dies hängt wohl in erster Linie von den Emotionen ab, die ein Fahrzeug in einem auslöst. In jeder unserer drei Preisklassen gibt es jedoch für jeden Geschmack etwas Passendes – vom Sportwagen über Exoten bis zum Familienklassiker. Dass trotz Budgetzwang für den (ersten) Oldtimer trotzdem noch viel schöne und spannende Qual der Wahl bleibt, zeigt die Marktübersicht von Halwart Schrader und Eurotax/Schwacke auf den folgenden Seiten.