Zuverlässiges Kultauto

Opel Ascona A und B: Darauf müssen Sie beim Kauf achten

Als Klassiker stand der 1970 präsentierte Opel Ascona lange im Schatten des Manta. Mittlerweile gilt er unter Opelfreunden als familientaugliches und zuverlässiges Kultauto. Wir haben die Stärken und Schwächen der Baureihen Ascona A und B recherchiert und sagen Ihnen, worauf Sie bei diesen Fahrzeugen achten müssen, um lange Freude daran zu haben.

 
Drei Ascona-Varianten: Links ein Ascona A „Voyage“ im Rallye-Trim, in der Mitte ein braver Ascona B und rechts ein serienmäßiger Ascona A. © Peter Böhlke
Drei Ascona-Varianten: Links ein Ascona A „Voyage“ im Rallye-Trim, in der Mitte ein braver Ascona B und rechts ein serienmäßiger Ascona A.

Wenn Pärchen im fortgeschrittenen Lebensalter neben einem Ascona stehen bleiben und die Ehefrau ihren Mann an den automobilen Familienbesitz von früher erinnert, hört man oft den Satz: „Mensch, Eckardt, guck mal! Haben wir nicht auch so einen Kadett gehabt?!" Dann stehen den Besitzern der Ascona A die Haare zu Berge: Dabei liegen jene Leute nicht einmal ganz falsch, obwohl sie wirklich die Autotypen verwechseln. Ein Kadett ist der Ascona nie gewesen, aber er hätte einer werden sollen. Während seiner Entwicklung war er als Kadett C geplant. Erst als Opel die Lücke im Mittelklassesegment zwischen Kadett und Rekord erkannte, wurde das Ziel während der Modellentwicklung neu kalibriert.

Außenseiter in der Werbung

Dem Ascona fehlt deshalb die Eigenschaft, ein „legitimer Nachfolger" zu sein. Den Nimbus eines Typs steigert das mitunter ungemein. Es sei denn, ein Modell begründet eine eigene Legende. Wie der Manta. Offensichtlich erkannten die Rüsselsheimer das emotionale Defizit. In der Werbung bezeichneten sie den Ascona A sogar als Außenseiter. Heute wäre das gewagt, aber offenbar galten vor 40 Jahren andere Maßstäbe. Damals mag die Rolle eines Außenseiters erstrebenswert gewesen sein: frei, ungebunden, keinen Regeln verpflichtet.

Gelungene Proportionen

„Der Vorbau des A ist das Geilste, was es gibt!", begeistert sich Stefan „Brinki" Brinkmann aus Bordesholm über das Design der ersten Ascona-Generation. Oben lang-lang-kurz, unten kurz-lang-lang. Langer Vorbau, lange Zelle, dahinter das kurze Heck. Unten der kurze vordere Überhang, dahinter der lange Radstand und der lange hintere Überhang. Der 40-Jährige ist einer der beiden Gründer und Vorsitzender der 1. Ascona A/B IG. Seine Ehefrau Tekla leitet in Bordesholm den Youngtimer-Service Nord mit Service-, Reparatur- und Restaurationswerkstatt für Opel-Oldtimer.

Dass der Ascona als Kadett-Nachfolger geplant gewesen war, belegt der Voyage. Abgespeckt lief er als „Caravan" vom Band. Kombis waren in der Kadett-Baureihe obligatorisch. Der „High End" mit Holz-Dekor ist heute ein äußerst seltenes Gefährt. Den Ascona A gab es mit 1,2-Liter-Motor (60 PS), 1,6-Liter-Motoren (68 und 80 PS) und einem 1,9-Liter-Motor (90 PS). Das kleine Triebwerk basierte auf dem OHV-Motor des Kadett B, die anderen auf den Camshaft-In-Head-Aggregaten (CIH) des Rekord B. Insgesamt wurden 691.438 Ascona A gebaut.

1975 erschien der Ascona B. Ein Kombi war nicht mehr im Programm, nur noch die Limousine. Opel behielt das Prinzip des Frontmotors mit Heckantrieb bei. Die Motorleistungen entsprachen ungefähr denen des A. Es gab den 12S und 16N mit jeweils 60 PS, den 16S mit 75 PS und den 19S mit 90 PS. Im September 1977 kam der 20S mit 100 PS dazu, ein halbes Jahr später der 20N mit 90 PS. Anfang 1979 löste der 1,3-Liter-OHC-Motor die 1,2-Liter-Version ab. Im Januar 1980 kam der 2.0E mit 110 PS auf den Markt. 1978 stellte Opel einen Wirbelkammer-Diesel mit zwei Litern Hubraum und 58 PS vor. Mit 1.512.971 verkauften Exemplaren war der Ascona B einer der Opel-Millionäre. Das waren mehr als doppelt soviele wie beim Ascona A.

Motoren: simpel und robust

Die 4-Zylinder-Kurzhub-Reihenmotoren im Ascona gelten als besonders elas-tisch. Deshalb sind sie bei Fahrschulen beliebt gewesen. „Sie liefen bei 40 im vierten Gang ruhig und ohne zu ruckeln“, versichert Stefan Brinkmann: „Die Gänge lassen sich ohne schreiende Motoren ausfahren." Ein Trick, Asconas mit ungepflegten Motoren zu verkaufen, sei das Einfüllen dickflüssigen Motoröls. Das verhindere klappernde Geräusche, wie das der Ventile. Dagegen helfe nur eine Probefahrt von erwärmender Länge und danach ein genaues Hinhören bei geöffneter Motorhaube, während die Drehzahl im Stand hochgefahren wird. Kontrollen der Starteigenschaft und der Dichtigkeit verstehen sich von selbst.

Der Ascona mit dem kleinsten Triebwerk kam 1972 auf den Markt. Ein Jahr später brach im Nahen Osten der Oktober-Krieg aus, in dessen Folge die OPEC die Erdölförderung drosselte. Während der Sonntagsfahrverbote und Tempolimits war der 1,2-Liter-Ascona das krisengerechte Sparmodell. Aber auch, nachdem die Tempo-Limits gefallen waren, konnten Asconas mit Höchstgeschwindigkeiten zwischen 137 und 160 km/h Anfang der 70er-Jahre auf der linken Autobahnspur gut mithalten.

Schwachstellen prüfen

Wer sich für einen Ascona interessiert, muss drei Dinge unterscheiden: Konstruktive Schwächen, Abnutzung und neuralgische Stellen. Das Abblendlicht wird unabhängig von der Zündung ein- und ausgeschaltet. Steht der Drehschalter am Armaturenbrett auf „II", beginnt nach dem Ziehen des Zündschlüssels der Batterietest. Beim Wechsel der Jahreszeiten muss der Luftansaugstutzen umgestellt werden. Die wassergekühlten Motoren temperiert ein Kühler, dessen Ventilator ständig läuft. Als originales Zubehör gab es eine Kühlerjalousie, die der Fahrer mit einem Bowdenzug runterlassen und raufziehen konnte, um im Winter Betriebstemperatur zu erreichen. Die Rollos standen nicht auf den Microfichen, sondern nur in einer gedruckten Zubehörliste. Nicht jede Werkstatt wusste das. Noch heute diskutieren Ascona-Freunde die Originalität dieser Kühlluftregulierung. Ein Muss war sie nicht, die Motoren haben auch ohne sie Jahrzehnte gehalten. Extreme Staus, wie zum Beispiel zur Hauptreisezeit, konnten die Konstrukteure vor 40 Jahren nicht vorhersehen. Wenn Straßen während einer Hitzewelle zur Standspur werden, gerät die Motorkühlung des Asconas an ihre Grenze. Dann müsse, sagt „Brinki", die aufgedrehte Heizung dem Motor Wärme entziehen.

Auch auf ausdrückliche Nachfragen versichern Tekla und Stefan Brinkmann, dass die Technik eines Asconas keine neuralgischen Stellen habe: „Die hält noch einmal 30 Jahre mit ordentlicher Pflege, von Motor, Getriebe und Vorderachse bis zum Hinterachsdifferential!“

Eng geschnittene Karosse

Der Ascona A bietet hinten nur beengte Platzverhältnisse. Abhängig von der Einstellung des Vordersitzes haben die Fondpassagiere eine Beinfreiheit von zwölf bis 30 Zentimetern Länge. Für die Zufuhr von Frischluft standen anfangs nur zwei Einlässe in der Mitte des Armaturenbretts zur Verfügung. Nur eine mittig platzierte Doppeldüse spritzte das Reinigungswasser auf die Windschutzscheibe. Ab 1973 kamen zwei weitere Frischlufteinlässe dazu, der reinigende Wasserstrahl verteilte sich auf zwei getrennte Düsen. Beim Ascona B ist der Radstand um 8,8 Zentimeter, die Karosserie um 20 Zentimeter gestreckt worden. Bei allem Lob über die Zuverlässigkeit, persönliche Erfahrungsberichte auf der Internetseite www.ciao.de kritisieren den begrenzten Komfort des Kultautos.

Hauptfeind Rost

Die Karosserie sei allerdings rostgefährdet, ab einer Höhe von 15 Zentimetern über dem Asphalt, anders ausgedrückt: ab dem Bodenblech! Eine Karosserie mit vom Werk ein- und aufgebrachter Hohlraumversiegelung habe er noch nie gesehen, bekräftigt Stefan Brinkmann. Nur den Exportmodellen für Skandinavien sagt man nach, sie wären mit Rostschutz versehen gewesen. Im Originalzustand markieren senkrechte Sicken die Übergänge vom Schweller- zum Seitenblech sowie vom Seiten. zum Heckblech. Sichtbar sind diese Übergänge auf dem Schweller etwa unterhalb der Rückbank sowie unter der Heckleuchte. Fehlen diese Sicken, sind Reparaturbleche eingeschweißt. Ein Hinweis auf professionelle Arbeit sind Wachsnasen, die aus den Karosserieöffnungen treten.

Korrosionsgefahr besteht beim Ascona A vor allem an den Versteifungsblechen der A-Säule. Sie verlaufen von der A-Säule bis zum Radhaus, hinter den Kotflügeln. Auf Rost lassen sich die Versteifungen durch einen Blick in die hinteren Ecken des Motorraumes prüfen. Der Rostfraß wird dort sichtbar. Beim Ascona B sind die Versteifungsbleche nach innen verlegt worden. Sie sind dadurch weniger korrosionsgefährdet. Mitunter sind es Kleinigkeiten, die den Abnutzungszustand erahnen lassen: Ein- oder ausgerissene Halteschlaufen an der Innenseite der B-Säule sprechen dafür, dass sich häufig Mitfahrer nach hinten gequält haben. Ergo dürfte der Ascona eine strapazierte Familienkutsche gewesen sein. Alle Sitze sind im Verlauf der Zeit durchgesessen, die Sitzbezüge lösen sich ab. Da hilft nur Aufpolstern oder der Einbau von Sitzen aus anderen Baureihen. Denn Ascona-Sitze sind nie bevorratet worden. Beim Beschaffen von Ersatzteilen ist das Opel-Baukastensystem von Vorteil. Man könne sich, so Thekla Brinkmann, auch bei Nachfolgemodellen bedienen.

Vorteilhaft: Opel-Baukasten

Selbst bei den Lagerschalen der letzten Evolutionsstufe sind die Blockmaße identisch. Auch Reparaturbleche sind bei den Teilehändlern zu haben. Karosseriekomponenten wie Türen und Kotflügel sind dagegen selten im Angebot. Nur gebraucht, nicht etwa nachgebaut. Als der Ascona im November 1970 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, fiel das Licht der Aufmerksamkeit auf den zwei Monate vorher präsentierten Manta. So etablierte sich die Manta-Szene noch vor der Ascona-Szene und sorgte rechtzeitig für Ersatzteilvorräte.

Für Pflege und Reparatur  ist die reparaturfreundliche Technik ein Vorteil. Dirk Bolduan aus Hamburg besitzt einen Ascona B 1.6 N. Seine Form begeistert den 37-Jährigen: „Lange Motorhaube, kurzes Heck. Wie um mich herum gebaut!"  Den ersten B kaufte er sich mit 16 Jahren. Während der Kraftfahrzeugmechanikerlehre baute er bereits seinen ers-ten Ascona auf. Als er die Führerscheinprüfung bestand, war das Auto fertig. Dirk Bolduan: „Auch als Lehrling kann man an einem Ascona schon alles selbst machen!" Das Besondere am Ascona ist das unauffällige Schattendasein neben dem Manta. Was den zusätzlichenVorteil hat, dass es zwar diverse Manta-, aber keine Ascona-Witze gibt!

TEXT: Peter Böhlke, FOTOS: Peter Böhlke, Opel AG
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