Sportcoupes der 60er-Jahre
Heckparade der 60er-Jahre Sportcoupes
Die junge Bundesrepublik in den 60ern: Die meisten deutschen Automobilisten haben ganz gewöhnliche Probleme: Können wir uns den Wagen leisten? Passen alle Kinder rein? Reicht der Kofferraum fürs Campinggepäck? Und ganz wichtig: Was denkt der Nachbar über das neue Auto?
Diese Klientel haben Glas, Lotus, Opel und Porsche jedoch sicher weniger im Visier gehabt. Die Zielgruppe für unsere Vergleichskandidaten sind vielmehr solvente Sportsfreunde im besten Alter zwischen 35 und 45 Jahren gewesen. Oder auch gut situierte Söhne und Töchter, die gleichermaßen Spaß am Fahren wie dem schönen Leben haben und sich diesen Lebensstil auch leisten können.
Denn für den Gegenwert eines solchen Sportflitzers konnte man sich damals locker drei Volkswagen in die Reihenhausgarage stellen. In die Neuzeit berechnet wären es wohl drei Golf. Menschen, die sich das leisten können, nennt man heute in den modernen Marketingabteilungen gern auch Hedonisten, und sie würden sicher Porsche Boxster, Peugeot RCZ oder Audi TT fahren.
PORSCHE 912
Immer wenn bei Porsche die Verkaufszahlen schwächeln, regt der Vertrieb eine Sparversion an. So geschehen beim Elfer-Ahnen 356 mit 60-PS-Motor, der von den Herrenfahrern der Zeit schnell als Dame verspottet wird. Auch 1965 ist die Stimmung in Stuttgart etwas angespannt: Der neue Porsche 911 begeistert die Presse und die Herrenfahrer, doch preislich ist der Sechszylinder seinem Vorgänger weit entrückt.
Ein 356-Coupé kostet im letzten Produktionsjahr 1965 rund 16.500 DM, der Porsche 911 ist mindestens 6.000 DM teurer. Für die Differenz gibt es immerhin einen viertürigen Opel Kadett B. Also implantierte man den Vierzylinder des 356C in das schöne Porsche-Heck und schuf so den preislich breitentauglicheren 912.
Die meisten Exemplare werden bei Karmann in Osnabrück gebaut (erkennbar an der Fahrgestellnummer). Basis ist die nahezu unveränderte 911-Karosserie als Coupé oder Targa, samt Fahrwerk. Ausstellfenster hinten, Dreiecksfenster vorn, abblendbarer Innenspiegel, verschließbares Handschuhfach, Make-up-Spiegel in der rechten Sonnenblende, Rückfahrscheinwerfer, 12-Volt-Elektrik – Porsche bietet im 912 Features, die anderswo 20 Jahre später noch Aufpreis kosten.
Nur Details verraten den Vierzylinder: Lackierte statt verchromte Stahlfelgen mit Pneus im Schmalspurformat 165x 15, keine Nebelscheinwerfer (beides gegen Aufpreis auch am 912 erhältlich). Ohne das anfangs schräg gestellte Typenschild hinten sind die beiden Geschwister außen nicht zu unterscheiden.
Auch im Innenraum sind es nur Nuancen: So bekommen rund 150 Exemplare des ersten Baujahrs drei statt fünf Rundinstrumente. Wobei die Zusatzuhren (ohne Ölstand und - Druckanzeige) als Extra bestellt werden können und so fast wieder für optischen Gleichstand sorgen. Statt Holz ziert das Armaturenbrett ein Alustreifen, und das Vierspeichenlenkrad ist aus Kunststoff.
Auch auf eine heizbare Heckscheibe und die Standheizung im Schmuggelfach vorn im Kofferraum müssen 912-Eigner verzichten – oder extra ordern. Serienmäßig hat der 912 vier Fahrstufen. Die meisten Kunden zahlen aber gerne 340 Mark Aufpreis für das Fünfgängemenü. Der Vierzylinder im Heck entstammt dem 356 C. Dank geringerer Verdichtung liefert er nicht 95, sondern „nur“ 90 PS an die Hinterräder. Doch für Spitze 185 reicht’s allemal.
912 – der Sportler für die mittlere Spur
Zu dieser Zeit können da nur wenig bezahlbare Automobile (BMW 2000 ti, Opel Commodore GS) mithalten. Ein 912 ist kein rasanter Sprinter, aber ein „vernünftiges, fahrsicheres Sportwagenangebot“, wie es die zeitgenössische Presse formuliert. Schon nach den Werkferien 1966 gibt es kleinere Retuschen.
Die Türgriffe außen haben nun aus Sicherheitsgründen einen versenkten Druckknopf, die Spurweite vergrößert sich dank dickerer Bremsscheiben, und der 912- Schriftzug hinten steht mittig unter dem Kühlgitter des Motordeckels. Ein Modelljahr später wächst der Radstand um 57 auf 2.268 Millimeter. Die Kotflügel vorn und hinten werden für breitere Reifen etwas herausgezogen.
Im Innenraum gibt es neue Türgriffe, einen Klappascher unterhalb des Armaturenbretts und ein dreistufiges Gebläse, das die Heizwirkung verbessert. Heizbare Heckscheibe, beleuchtetes Handschuhfach und Warnblinker sind Serie. 1968 endet die Karriere des 912 nach 30.300 gebauten Fahrzeugen. Zeitweise werden mehr 912 als 911 verkauft.
Allein 1966 stehen 8.700 produzierte 912 vergleichsweise bescheidenen 5.381 911ern gegenüber. Und weil der Spar-Elfer so erfolgreich war, legt Porsche 1975 extra für die USA den 912 E mit dem Zweilitervierzylinder aus dem VW-Porsche 914 auf. Doch nach 2.099 Exemplaren ist auch damit Schluss. Der nächste Vierzylinder ist ein wassergekühlter Reihenmotor, er kommt im selben Jahr und heißt 924.
Der Testwagen:
Robert Bujotzek legte seit dem Kauf rund 20.000 Kilometer in seinem poloroten 1969er- Porsche zurück. Der US-Reimport steht ausgezeichnet und sehr original da. Nur der Auspufftopf stammt aus dem Zubehörhandel – sorgt aber für unverschämt guten Sound. Und der Motor muss sich nicht mit mageren 90 PS begnügen.
Der kaufmännische Angestellte gönnte dem Boxer mehr Lungenvolumen: knapp 1,9 Liter Hubraum bringen rund 120 Pferde. Bujotzek hat es auf einem Leistungsprüfstand nachmessen lassen. Das Fünfganggetriebe ist ebenfalls überholt worden. Der Tank war durchgerostet und wurde ersetzt.
Der Lack wurde fachmännisch 2010, die Sitzbezüge in schwarzem Kunstleder 2013 erneuert. Bujotzek ließ beim Zusammenbau die vorderen Stoßstangenhörner weg, „weil es mir besser gefällt. Schließlich wurde so auch 1963 der Urelfer präsentiert“, begründet der 51-jährige Münchner den Verzicht.
LOTUS ELAN S4 SPRINT
Lotus Elan: Die Marke Lotus ist untrennbar mit dem Firmengründer Colin Chapman verbunden. Der 1928 in London geborene Rennwagenkonstrukteur studiert zunächst Bauwesen, später Luftfahrttechnik. Solide Statikkenntnisse und ein tiefes Wissen um Leichtbau sind das Fundament für den späteren Erfolg des charismatischen Briten.
1952 eröffnet Chapman Lotus Engineering Ltd., Schwerpunkte der Firma: optimierte Aerodynamik und grenzwertig dimensionierte Bauteile für den Motorsport. Mit dem 1957 präsentierten Kitcar „Lotus Seven“ wird Colin Chapman dann zum Autobauer, im selben Jahr erscheint auch der Lotus Elite (Typ 14), ein kleines, leichtes Sportcoupé, das von dem legendären Coventry-Climax-Vierzylinder angetrieben wird.
1962 präsentiert die Schmiede aus Hethel bei Norwich den Elan Roadster Series 1 (Typ 26) und 1965 schließlich auf gleicher Basis auch das entsprechende Coupé. Das steife Rückgrat ist ein X-förmiger Stahlblechrahmen, der aus Gewichtsgründen gelocht ist und deshalb nur 34 Kilogramm auf die Waage bringt. Vorn in den Rahmenschenkeln sitzen der Motor und ein Vierganggetriebe. Der Vierzylinder leistet 105 bhp, der Block stammt vom Ford Cortina, doch der Zylinderkopf aus Aluminium mit zwei oben liegenden Nockenwellen und sphärisch gewölbten Brennräumen ist eine Eigenentwicklung.
Den Sprint von null auf 100 erledigt der Elan in 7,1 Sekunden. Für angemessene Verzögerung sorgen vier Scheibenbremsen. Für die ausgezeichnete Straßenlage und das exzellente Fahrverhalten sind neben der Einzelradaufhängung rundum auch die gute Achslastverteilung und das geringe Gesamtgewicht von weniger als 700 Kilogramm verantwortlich.
Lotus Elan – britischer Leichtathlet
Die Karosserie aus glasfaserverstärktem Kunststoff ist mit 16 Schrauben am Chassis fixiert. An den stärker belasteten Partien wie Windschutzscheibenrahmen und Türaufhängungen ist die Plastikhülle mit stabilisierenden Blecheinlagen versehen. Die Klappscheinwerfer werden pneumatisch betätigt: Unterdruck aus dem Ansaugtrakt des Motors hält die Lampen unten, deshalb „schielen“ altersschwache Elan in eingeschaltetem Zustand oft müde wie Karl Dall. 1967 erscheint der Elan Plus 2 mit zwei Notsitzen im Heck, dessen Chassis erheblich vom Original abweicht.
Mit dem S2 zog im Elan reichlich Holz in die Hütte ein: Das Armaturenbrett ist im wahrsten Sinne des Wortes eines. Größere Bremsscheiben vorn und Felgen mit Zentralverschluss waren die Modellpflegemaßnahmen des S2. 1965 erscheint der Elan S3 mit nun 115 PS.
Beim offenen Elan werden von jetzt an die Seitenscheiben der Türen mittels starrer Edelstahlrahmen stabilisiert, das verringert die Windgeräusche und verbessert die Dichtigkeit der knapp geschnittenen Stoffkapuze. Drei Jahre darauf folgt die letzte wesentliche Evolution, die sich S4 nennt. Breitere Radhäuser und eine Beule in der Motorhaube schaffen Platz für dickere Pneus und die fette Vergaserbatterie.
Im Innenraum ändert sich das Armaturenbrettlayout. 1971 geht es der Technik unterm Kunststoffkleid an die Eingeweide. Dank größerer Ventile leistet der neue Big-Valve-Motor nun 127 PS, das führt zu einer Spitze von 190 Stundenkilometern. Auch ein Fünfganggetriebe ist nun im Angebot. 1975 endet die Karriere des rundlichen Originals aus Hethel im Norden Englands nach über 12.000 Exemplaren.
Der Testwagen:
Knappe 200 Stundenkilometer Spitze sind ein sehr respektabler Wert für ein 1,6-Liter-Automobil von 1971. Elan-Eigner Harald Feeß erscheint zum Fototermin im markengerechten grünen Sweatshirt mit leuchtend gelbem Lotus- Logo auf der Brust. Seinem Sprint S4 in der Farbe Gialo Ferrari greift er schon fast 30 Jahre ins artgerecht auf der rechten Seite montierte Dreispeichenlenkrad.
Seinen Gelbling hat er im Laufe der Jahre Stück für Stück renoviert. Frameoff nennen es Experten, wenn die komplette Karosserie vom Chassis getrennt wird. Der 49-jährige Feeß spendierte seinem 126PS starken Briten-Beau erst vor einem Jahr einen neuen Stahlrahmen, der dank schützender Verzinkung dauerhaft gegen Korrosion gefeit ist.
Der Tacho des Kunststoff-Flitzers zeigte beim Kauf 1986 gut 68.000 Meilen, seitdem sind 25.000 Meilen hinzugekommen. Und weil Feeß ein echter Lotus-Lover ist, hat der Münchner „natürlich“ auch noch einen Elan Roadster in der heimischen Garage im beschaulichen Taufkirchen.
GLAS 1700 GT
Vom Landmaschinenhersteller zum Kraftfahrzeugproduzenten – das erscheint zu Zeiten des Wirtschaftswunders nicht abwegig. Ferruccio Lamborghini geht ihn 1962. Hans Glas, Spross einer bayerischen Unternehmerfamilie und Besitzer einer Fabrik für Agrargeräte, war jedoch noch deutlich schneller als der italienische Mitbewerber:
1951 startet die Produktion seines Goggo-Motorrollers, der zu einem der meistverkauften Scooter wird. Kurz darauf erkennen Hans und Sohn Andreas Glas einen boomenden Markt für automobile Aufsteiger und entwickeln Anfang 1955 einen passenden Kleinwagen, das Goggomobil. Nach dem Glas Isar folgt 1959 der Glas 04 mit einem hochmodernen und drehfreudigen Vierzylinder, der auch den 1963 auf der Frankfurter IAA präsentierten 1300 GT antreibt.
Das Design stammt von Pietro Frua, der auch für Maserati tätig ist. Und so kommt der ausgesprochen hübsche Sportler aus Dingolfing zu seinem Spitznamen: Glaserati. Lange Front, kurzes Fließheck, dazwischen Platz für zwei große und zwei kleine Menschen und vor dem Fahrer eines der wohl schönsten Armaturenbretter der Epoche: So schafft man eine Schönheit! Im „Untergeschoss“ ist der GT konventionell mit Einzelradaufhängung vorn und einer Starrachse an Blattfedern im Heck. Moderner geht es im Maschinenabteil zu.
Der kompakte 1,3-Liter-Vierzylinder liefert dank zweier Solexvergaser lebendige 75 PS (85 PS ab 1965) an die Hinterachse. Damals eine Sensation: Erstmals im Serienbau treibt keine Steuerkette die oben liegende Nockenwelle an, sondern ein verzahnter Riemen aus Kunststoff, das bringt mehr Laufruhe und Gewichtsersparnis.
Der Sportler wiegt nur 840 Kilogramm, dies reicht für ein Spitzentempo von 174 Stundenkilometern und gute Platzierungen im Motorsport. 1965 gewinnt Gerd Bodmer auf einem Glas GT die Deutsche Tourenmeisterschaft. Im Herbst erscheint der 1700 GT, dessen 100 PS starker Motor höher baut und mehr Platz benötigt – die dafür nötige schmucke Lufthutze vorn wird später auch für die kleinen GT übernommen.
Glas-Bruch – Geschichte wiederholt sich
Die Hans Glas GmbH in Dingolfing stellt innerhalb weniger Jahre ein beachtliches Portfolio vom Goggomobil mit 14 PS bis zum noblen 3000 V8-Coupé mit 160 PS auf die Räder – das ist gefährlich: Zu schnelles Wachstum, zu viel teure Handarbeit, zu geringe Margen. Typisch: Die Banken sperren sich am Anfang der Krise gegen allzu „riskante“ Kredite, die den überlebenswichtigen finanziellen Spielraum schaffen könnten.
Auch die bayerische Landesregierung sieht sich zunächst außerstande, zu helfen. Geschichte wiederholt sich also – wie wir seit Ende 1960 vom ähnlich verlaufenden Niedergang der Bremer Borgward-Gruppe wissen. Die „Glas- Scherben“ kehrt 1967 die BMW AG zusammen und übernimmt den so umtriebigen wie unliebsamen Konkurrenten.
Dem flotten GT geht es an die Nieren: Die neue Bezeichnung lautet ab Sommer 1967 BMW 1600 GT – mit Doppelniere im Grill und dem 105-PS-Motor vom 1600 ti, der für Tempo 190 taugt. An der Hinterhand sind nun Schraubenfedern montiert. 1968 stellt BMW die Fertigung des GT ein. Unter Münchner Ägide entstanden rund 1.250 Stück (davon wohl nur zwei offene Versionen) des insgesamt fast 7.000-mal gebauten GT. Im Herbst 1969 stirbt Hans Glas mit 79 Jahren – sein Beitrag zum Automobilbau bleibt unsterblich.
Der Testwagen:
Helmut Hajek erwarb den raren Bayern-Kurier im Jahr 2008 mit gerade mal knapp 80.000 Kilometern auf dem chromumrandeten Rundtacho von der betagten Erstbesitzerin: einer Optikerin am noblen Starnberger See, die ihn im April 1967 erstmals zugelassen hatte. Seitdem legte der 67-jährige Unternehmensberater rund 20.000 problemlose Kilometer mit seinem Dingolfing-Express zurück.
Doch zuvor war reichlich Arbeit nötig. Der Wagen wurde restauriert und die filigrane Technik überholt. Dabei erhielt der Zahnriemen des Nockenwellenantriebs eine lebensverlängernde Spannrolle. Der ansonsten originale, tannengrüne Glaserati steht mehr als hübsch auf seinen 175er- Reifen im 14-Zoll-Format.
Die schwarze Innenausstattung ist sauber und original bis zum zeitgenössischen Blaupunkt-Radio. Die üblichen Altersspuren sucht man vergebens. Das Instrumentarium des bei Frua in Italien gebauten Bayern ist komplett und verströmt echtes Sportwagenfeeling. Der in München lebende Hajek hat für seine wochenendlichen Ausfahrten übrigens die Qual der Wahl: Neben dem Glas stehen noch ein MGA und ein Jaguar Mk. II in seiner Garage.
OPEL GT-AL
Opel GT – „Nur Fliegen ist schöner“. Mit diesem genialen Slogan führen die Rüsselsheimer ihren ausgesprochen hübschen Imageträger GT ein, der das Image des bislang recht biederen Autoherstellers aufpolieren sollte. 1965 präsentiert das hessische Unternehmen eine Studie, den orangefarbenen Experimental GT auf der Frankfurter IAA.
Zum Leidwesen von Besuchern wie Händlern ist eine Serienfertigung nicht vorgesehen. Potenzielle Kundschaft und Experten sind jedoch entzückt. Opel ziert sich etwas, vermeldet aber nach „reiflicher“ Überlegung und weiteren Kundenbefragungen doch den Entschluss zur Produktion. Bereits drei Jahre später, im September 1968 kommen die ersten Serienexemplare zu den ungeduldigen Händlern.
Heute unvorstellbar: Die Kapazitäten in den Opel-Werken Bochum und Rüsselsheim sind komplett ausgereizt – Vollbeschäftigung. Deshalb wird das Sportcoupé in Frankreich beim ehemaligen Lokomotivbauer Brissonneau & Lotz in Creil montiert. 4,1 Meter lang, nur 1,2 Meter hoch, schnittige Schnauze mit Schwenkscheinwerfern, knackiges Kurzheck mit mittigem, verchromten Tankverschluss, vier runde Heckleuchten und ein Doppelauspuff.
Dazwischen zwei Türen und ebenso viele Sitzplätze: Das ist der Opel GT. Das optische Vorbild ist die betörende Corvette. Vom US-Vorbild stammt auch die Idee der zur Längsachse des Wagens drehbaren Frontscheinwerfer. Die Lampen werden jedoch nicht, wie bei der Corvette C3, pneumatisch aktiviert, sondern mechanisch über einen Hebel in der Mittelkonsole – eine Erfindung der hessischen Ingenieure, die auch patentiert wurde. Nicht wenige Kritiker schmähen den Opel GT als Corvette für Arme. Was ja irgendwie auch gar kein Makel ist!
Atemberaubende Optik – biedere Technik
Es trifft vor allem zu, wenn der maue 1,1-Liter-Kadett-Vierzylinder mit asthmatischen 60 PS unter der langen GT-Motorhaube versucht, so etwas wie Fahrspaß abzuliefern. Er kostet anfangs knapp 10.800 Mark. Dafür gibt es ein schmuckes Coupé, das schneller aussieht, als es ist.
Der Sprint endet schon bei 155 Sachen – so rasant wie ein gewöhnlicher Ford 20 M. Angemessen sportlich beschleunigt dagegen der 1900er, der rund einen Tausender teurer ist. Der 90-PS-Antrieb aus dem Rekord ist ein drehfreudiger Kurzhuber, das reicht für eine Spitze von 185 Stundenkilometern – mehr schafft auch ein Porsche 912 nicht.
Damit er unter die Motorhaube passt, wird die vordere Kante des Ventildeckels für den Einbau im GT angeschrägt. Vorn gibt es Einzelradaufhängung mit einer quer liegenden Blattfeder. Im Heck übernehmen Schraubenfedern mit Teleskopstoßdämpfern an einer Zentralgelenkachse den Fahrbahnkontakt.
Für den US-Markt gibt es beim großen GT auch eine Dreistufenautomatik. Weil der GT 1100 mit 60 PS kaum nachgefragt wird, endet die Fertigung schon nach gut 3.500 Stück. 1971 erscheint als neues und diesmal erfolgreiches Einstiegsmodell der etwas abgemagerte GT/J: weniger Instrumente innen, außen kein teurer Chromzierrat, dafür 90 PS unter der Haube.
Preislich liegt der „GT-Junior“ unter dem Niveau des 1100ers. Besonders begehrt sind GT in den USA: Über 70.000 Stück gehen über den Teich. Und weil sich dort ständig die Sicherheitsvorschriften ändern, endet Mitte 1973 abrupt die Geschichte des im Design unverbesserbaren Opel GT. Immerhin 103.463 Exemplare wurden in fast fünf Jahren gebaut.
Der Testwagen
70 Prozent der gesamten GT-Produktion gehen einst in die USA – viele finden später den Weg zurück in die deutsche Heimat. So auch dieser in glänzendem Ziegelrot lackierte 1971er-GT A-L. Seine Herkunft ist auch erkennbar am originalen Delco-Mittelwellenradio im leider eingerissenen Instrumententräger.
Ursprünglich war die Automatik verbaut, aber schon der Vorbesitzer hat den Rüsselsheimer Renner auf die Viergangschaltbox umgerüstet, was für deutlich mehr Fahrspaß sorgt. Zumal die zeitgenössische Opel-Schaltung recht knackig in der Betätigung ist. Der Tacho zeigt 230.000 Kilometer, die wahre Laufleistung ist nicht genau nachzuvollziehen, der Meilentacho wurde längst ausgetauscht.
Das Blech des roten Flitzers wirkt neuwertig, die übliche Schwachstelle – die Batterieaufnahme zwischen den Klappscheinwerfern – ist frei von Gilb oder sonstiger Säure-Einwirkung. Der heutige Besitzer, Holger Stec, ein Maschinenbauer aus Memmingen, besitzt den zuvor durchsanierten GT seit fünf Jahren. Der 38-Jährige erscheint zum Testtermin mit seinem Vater, beide sind eingefleischte Opel-Fans, im alltäglichen Nutzen vertraut Stec einem Astra.
Der Vergleich im Detail
Lange Schnauze, Stummelheck, zwei Türen, knappe Platzverhältnisse, Heckantrieb – das war’s mit den Gemeinsamkeiten. Aber so unterschiedlich sich unsere Kandidaten auch geben – alle begeistern mit mehr als gefälligen Karosserien und angemessenen Fahrleistungen. Und: Alle vier sind keine Massenware.
Damals nicht und heute noch weniger. Der Glas ist eine runde Mischung aus Sport und Komfort: ein echter Gran Tourismo. Der Bayer gefällt mit der wunderbaren Italo-Linie, seiner modernen Technik und dem ausgesprochen hübschen Interieur. Die Uhrensammlung ist wohl das schönste Instrumentarium dieses Vergleichs.
Zudem kann der GT im Alltag als 2+2-Sitzer mit brauchbarem Kofferraum und, trotz geringer Stückzahlen, mit guter Teileversorgung überzeugen. Für genügend Ersatzteilnachschub beim Elan sorgen sich traditionell auch die Briten. Besonders die Lage bei der Technik ist problemlos.
Auch Ersatz für das filigrane Kunststoffkleid ist verfügbar, auch wenn dessen Reparatur nur etwas für Experten ist. Der Charme des Lotus liegt in seiner Kompromisslosigkeit. Als reiner Zweisitzer mit konsequent sportlichem Anspruch ist der kleine Rundling eine ausgezeichnete Wahl.
Keiner im Vergleich geht so agil um die Kurve, klackt sich so knackig durch die Gangstufen und hängt so willig am Gas. Deutlich gemächlicher geht es der Opel an. Ob mit 60 oder mit 90 PS: Der Rüsselsheimer ist wahrlich keine Rakete. Doch die Emotionen kommen dennoch nicht zu kurz: Der Opel begeistert mit der betörenden Coke-Bottle-Linie und der problemlosen Technik, die den Unterhalt günstig macht.
Die trocken-präzise Schaltung sowie das sicherere, straffe Fahrverhalten sorgen für echten Spaß auf der Landstraße. Selbst wenn gefühlt eigentlich mindestens 20 PS „fehlen“. Über mangelnde Leistung kann auch der Porsche- Pilot subjektiv nicht klagen. Mit 90 PS reißt er zwar keine Straßendecke auf, doch der einzigartige Boxersound, das starke Image und der noch vergleichsweise günstige Einstiegskurs machen den Zuffenhausener dennoch interessant.
Das Fahrverhalten ist deutlich weniger kritisch als bei einem 911. Leider auch die recht langen und ungenauen Schaltwege sowie die gewöhnungsbedürftige (stehende) Pedalerie. Aber: Komfort und Raumangebot liegen auf Glas-Niveau – vielleicht sogar einen Hauch besser. Die Verarbeitungsqualität ist top, die Materialien langlebig, der Sitzkomfort bequem.
Vielfalt statt Einheitsbrei
Damals wie heute ein echter Exot: der Glas GT. Der Glaserati begeistert mit hinreißendem Frua-Design und anspruchsvoller Technik. Seine geringe Verbreitung hat ihren Preis. Und ein Glas GT wird sehr selten verkauft. Und wenn, dann kosten ordentliche Exemplare mindestens 25.000 Euro.
Die gebotenen Fahrleistungen sind selbst mit „nur“ 75 PS überdurchschnittlich und machen richtig Spaß. Das Fahrverhalten ist berechenbar und bietet sogar etwas Komfort. Das Platzangebot reicht für zwei plus Kind. Die Verarbeitungsqualität und die verwendeten Materialien sind gut. Der Bayern-Express ist ideal für Individualisten, die keine „Massenware“ bewegen möchten. Manko: erst mal einen finden.
Auch ein Elan ist nicht an jeder Ecke zu finden. Er ist der konsequenteste Sportler in unserem Vergleich. Leichtbau, Leistung, Leidenschaft – so könnte das Konzept des Briten-Beaus zusammengefasst werden. Die Kunststoffkarosserie und der gelochte Rahmen sorgen für geringes Gewicht, hochdrehende Doppelnockenwellen-Motoren liefern begeisternde Beschleunigungswerte.
Und Details wie die pneumatische Scheinwerferbetätigung oder das hübsche Cockpit, dazu das klassische Design – ein Elan macht sportbegeisterte Oldiefans glücklich. Sein Konzept ist so logisch und ideal, dass es Jahrzehnte später noch als Vorlage für den sehr erfolgreichen Mazda MX-5 taugte.
Auch wenn die Japaner bereits im ersten Jahr viel mehr als alle produzierten Elan zusammen verkaufen konnten. Es bleibt dabei: Das Original kommt aus Hethel – und hat auch 2014 nichts von seinem Reiz und Charme eingebüßt. Wenn er nur nicht so teuer wäre: Unter 25.000 Euro wechselt ein Lotus Elan heute kaum den Eigner.
Deutlich günstiger gibt es einen der Rüsselheimer Renner. Gute Opel GT starten bei vergleichsweise bescheidenen 13.000 Euro. Der GT ist eine Designikone, die dem Betrachter sympathisch aus schwenkbaren Glubsch-Scheinwerfern zublinzelt. Vorteil: die millionenfach verbaute, unproblematische Technik aus dem Opel-Baukasten. Nachteil: Die komplexe Karosseriestruktur, mit vielen potenziellen Rostherden, lohnt eine umfassende Restauration (meist) nicht.
Auch der GT ist ein reiner Zweisitzer, der zudem weder über einen Kofferraumdeckel noch einen echten Kofferraum verfügt. In der Ablage hinter den Sitzen versperrt das Reserverad schon einem mittleren Koffer den Zutritt. Aber für den Wochenendtrip eines sehr verliebten Pärchens reicht es noch gerade so.
Da bietet ein Porsche 912 schon deutlich mehr Alltagsnutzen. Der Kofferraum vorn taugt für ein verlängertes Wochenende. Und im Innenraum wartet bei geklappten Rücksitzen noch weiterer Stauraum. Doch deshalb wird der Zuffenhausener sicher nicht gekauft.
Eher schon wegen der klassisch-zeitlosen Linie, die dem leistungsstärkeren Bruder 911 bis auf die letzte Blechfuge gleicht. Und der Fahrspaß kommt auch mit „nur“ 90 PS nicht zu kurz. Der Klang des luftgekühlten Vierzylinder-Boxers, das recht üppige Platzangebot, die hübsche Uhrensammlung im Cockpit, dazu eine hervorragende (wenn auch teure) Teileversorgung machen den 912er zu einem Geheimtipp.
Dazu kommt: Noch stehen die „Vierzylinder-Elfer“ im übergroßen Schatten der Sechszylinder-Verwandtschaft. Dafür sind sie jedoch auch nur halb so teuer wie 911 der Dekade. Clevere Porsche-Fans haben längst erkannt: Der 912er ist die (noch) bezahlbare Alternative aus Zuffenhausen mit einer ganz eigenen Faszination.
Vier Gewinnt
Und faszinierend sind alle Kandidaten auf ihre Art. Eigentlich gibt es nur Sieger in diesem Vergleich: Der Glas ist erste Wahl für Individualisten mit technischem Anspruch, der Lotus gewinnt die Pole Position für Fans kompromißloser Sportler, der Porsche bietet den besten Mix aus Faszination und Werthaltigkeit und der Opel GT kombiniert betörende Formen mit robuster Großserientechnik für Pragmatiker.
Und da die heutige Familie statistisch nur 1,3 Kinder hat, reichen die 2+2-Sitzer Glas und Porsche völlig für den Alltag. Bei Lotus und Opel wird halt gelost, wer heute bei der Ausfahrt neben Papa sitzen darf – der Nachwuchs oder die Gattin?