Opel Rekord C - Rekordverdächtig
General Motors lässt grüßen: Der Rekord C ist der letzte Rekord mit amerikanischen Stilelementen.
Rekord-Fahrer werden? Das will Matthias unbedingt. Auf eine konkrete Baureihe oder Karosserieform hat er sich nicht festgelegt. Doch nicht nur die Chemie zwischen ihm und dem Wagen muss stimmen. Neben dem „gewissen Etwas“ soll sein Rekord auch ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis haben, zuverlässig, komfortabel und „einfach nur schön“ sein.
Welches Mitglied der Opel-Gang wohl das Reizvollste ist? Langjährige Rekord- Halter helfen ihm auf die Sprünge.
Formschöne Familienkutsche
Ein chamonix-weißes Rekord A 1700 Coupé Luxus, Baujahr 1964, fährt vor. Es erinnert an einen kleinen eleganten US-Straßenkreuzer. Kein Wunder, denn die blinkende Chromfront ist inspiriert von der amerikanischen Formensprache. Eine Fahrerin mit Petticoat und weißen Handschuhen würde ihm wunderbar zu Gesicht stehen.
Hermann Rudhart nennt das unrestaurierte Schmuckstück seit zwei Jahren sein Eigen. Mit 1,7 Litern Hubraum und 67 PS war der Rekord für damalige Verhältnisse ordentlich motorisiert. Ob er drehfreudig sei? „Klar! Auch wenn er es heute etwas gemütlicher mag. Die Leistung reicht aber völlig aus“, unterstreicht Hermann.
An der Karosserie zeigt das Coupé leichte Patina, aber keinen Rost. Matthias begeistert das leicht amerikanische Design. Das ist 60er-Jahre-Flair! Und im Innenraum? Achtung, wer größer ist, sollte beim Einsteigen den Kopf einziehen. Doch die Platzverhältnisse sind üppig und der Sitzkomfort erstaunlich.
„Wie auf der Couch“, lobt Hermann das 60er-Jahre-Gestühl. Die Luxusausstattung wartet mit „sportlicher“ Knüppelschaltung auf, die es aber auch nur im Coupé gab. Doch das Armaturenbrett ist für Matthias alles andere als luxuriös. Spartanisch trifft es besser. „Es ist übersichtlich“, stimmt Hermann zu, „Tacho, Tank- und Temperaturanzeige sind das Nötigste, aber das reicht auch.“
Das Raumgefühl hingegen überzeugt Matthias sofort: Dank großer Fensterflächen hat der Fahrer auch beim Rückwärtsfahren und Rangieren eine gute Rundumsicht – auch wenn Letzteres mangels Servo in schweißtreibende Arbeit ausarten kann. Im Fond ist Platz für die Fußballkumpels, die dank Luxusausstattung mit Mittelarmlehne und Ausstellfenstern verwöhnt werden.
Doch wo ist der Haken am Rekord A Coupé? Beim Thema Ersatzteilversorgung schüttelt der Rekord-A-Fahrer verzweifelt den Kopf. Verschleißteile wie Bremsen und Wasserpumpe sind noch erhältlich, doch Innenausstattung und Blechteile kaum aufzutreiben. Auch der Rost hat am A seinen Narren gefressen:
„Der berühmt-berüchtigte Radlaufrost bei Opel ist gefürchtet“, schaltet sich Roland Schäfenacker, der Besitzer der Rekord C und D, ein. In Sachen Rost können alle Rekord-Fahrer dasselbe Ständchen singen: Betroffen sind neben den Radläufen vor allem Kotflügel, Endspitzen, Lampentöpfe und Türkanten. Und was kostet die formschöne Familienkutsche?
Für ein vernünftiges Coupé ohne Reparaturstau müsste Matthias laut Hermann 6.500 bis 9.000 Euro hinblättern. Seine Rente könne der Rekord ihm später leider nicht finanzieren. „Riesige Gewinnsteigerungen wirst du bei Opel nicht haben, aber Verluste machst du auch nicht“, so Hermann. Aber bei diesem Wagen geht es auch nicht um Geld, sondern um Begeisterung. „Die Coupé-Form ist Ästhetik pur! Wer allerdings etwas praktischer veranlagt ist, sollte zum Caravan greifen.“
Spritzige Sportskanone
Die Liebe zum Coupé hat auch Rainer Wieler erwischt, doch sein Rekord B6 Coupé, Baujahr 1966, ist ein Exot: „Das ist ein seltener Sechszylinder, der entsprechend Qualm unter der Haube hat“, grinst der Opel-Freund, der mit einem B6 aufgewachsen ist. „17 Jahre habe ich nach ihm gesucht!“
Nur 3.705 Exemplare mit dem 100 PS starken 2,6-Liter-Kapitän-Motor wurden gebaut. Ein K.o.-Kriterium für Matthias? Das frisch polierte Miele-Rot, das nur die Firmenfahrzeuge von Miele zierte, strahlt mit den glänzenden Chromteilen um die Wette. Welch’ Augenweide! Im Innenraum sinkt Matthias in den Fauteuil-ähnlichen Sitz.
„Seitenführung brauchen wir nicht“, lacht Rainer. Der Reihen- Sechser summt, und die Beschleunigung drückt die beiden mit einem Grinsen im Gesicht in den Sitz. Wie im Rekord A sind die Raumverhältnisse üppig, zwei Kinder können mitfahren. Und Platz für seine Frau hat Matthias auch schon gefunden, denn der Kofferraum offenbart „unendliche Weiten“ – da wird sogar der Diplomat neidisch.
Das Armaturenbrett ist übersichtlich, vorausgesetzt, man kann mit dem Walzentacho umgehen. Den B6 gibt es nur in der Vollausstattung der Baureihe B, aber nur der B6-Fahrer erfreut sich an der thermostatisch geregelten Wagenheizung. Die Rundumsicht ist zufriedenstellend. „Nach hinten ist die Limousine jedoch übersichtlicher“, merkt Rainer an.
Und der Fahrkomfort? B6-Fahrer sind keine Freunde des Rangierens, da die Lenkung recht schwergängig ist. Obwohl die Spritzigkeit dafür entschädigt, versteckt sich genau hier die Schwachstelle des B6: Durch das Gewicht der zwei zusätzlichen Zylinder auf der Vorderachse liegt das Coupé zwar vorne wie ein Brett auf der Straße, lässt aber deswegen hinten ein paar Kilogramm missen, was vor allem bei Nässe zu Haftungsproblemen führen kann.
Elf Liter schluckt der B6. „Aber bei zahmer Fahrweise“, grinst Rainer. Sein Blick verrät, dass sein Rekord in der Regel mehr schluckt. Der Ölverbrauch hingegen ist nicht nennenswert. Und das Schöne: „Lässt man Wartung und Pflege weg, fährt er trotzdem“, sagt Rainer mit einem Augenzwinkern. Die Ersatzteilsituation allerdings ist nicht rosig.
Typisch Rekord, bei Blechen schaut es schlecht aus, Innenausstattung und Neuteile gibt es keine mehr, aber man kann viel aufarbeiten. „B6-Spezialteile sind selten angeboten und selten gefragt“, fasst Rainer die Lage zusammen. 10.000 bis 11.000 Euro müsste Matthias für den flotten Flitzer berappen. Und die Wertsteigerung? „Das ist ein Opel, kein Bugatti“, grinst Rainer. „Aber du verlierst kein Geld.“
Sympathischer Opa-Rekord
Ein völlig anderes Kaliber ist Roland Schäfenackers Rekord C 1,7 Limousine, Baujahr 1970, in Sierrabeige 408 mit 66 PS. Und zwar in der L-Ausstattung mit Radzierringen, hochwertigerer Stoffausstattung, Zigarettenanzünder und Aschenbecher. Optisch ist der Rekord C komplett von seinen Vorgängern losgelöst:
Coke- Bottle-Line heißt der leichte Hüftschwung vor der C-Säule, der ihn als Mitglied der GM-Familie identifiziert. Ganz zeitgenössisch im 60er-Jahre- Schick. „Für mich ist der C der Opa-Rekord. Ich bin stolz darauf, ihn mit einem Augenzwinkern zu fahren, vor allem in der heutigen Zeit, wo alle immer so schnell und sportlich sein wollen“, erklärt Roland seine Rekord-Philosophie.
Ein Gedanke, der Matthias gefällt. Gut, rassig und aufregend mag anders sein – vor allem nach der Fahrt im B6 –, doch der C ist ein schrauberfreundlicher, technisch unproblematischer und absolut zuverlässiger Begleiter. Und ein Sympathieträger! Die Karosserie untersucht Roland des Öfteren auf Rost, denn die Versorgung mit Ersatzteilen ist schlecht.
Verschleißteile gibt es problemlos, eine brauchbare Innenausstattung ist jedoch kaum aufzutreiben. Und wie komfortabel ist der „Opa-Rekord“ im biederen Beige? Die straffen und recht hohen Sitze ermöglichen ein problemloses Ein- und Aussteigen – ob mit oder ohne Stock. Und in Verbindung mit den großen Scheiben vermittelt die erhöhte Sitzposition eine gute Rundumsicht.
Auch im C erwartet Matthias ein schlichtes und funktionales Cockpit – mit Lenkradschaltung und ohne Mitteltunnel. Platz für die Fußballkumpels ist mehr als genug, Stauraum en masse ist allemal vorhanden. Ein Schluckspecht ist die familientaugliche Limousine nicht, der leicht „amerikanisch“ federnde Rekord verbraucht bei gemütlicher Fahrweise etwa neun Liter Super.
„Man kriegt hier so viel für sein Geld“, schwärmt Roland. Etwa 6.400 Euro kostet eine Limousine im Zustand 2. Wer sich für den Wertzuwachs interessiert, sei an den Bugatti-Kommentar erinnert. Immerhin: „C Coupé und Caravan sind eine bessere Wertanlage, da sie seltener sind“, merkt Roland an.
Handwerkers Liebling
„Handwerker pur“: Mit diesen Worten beschreibt Roland seinen dreitürigen altlasbeigen Rekord D 1,9 SH Caravan von 1972. Jahrelang war der Rekord D Caravan in erster Linie Handwerkers und nicht Vatis Liebling, weshalb die meisten auch komplett heruntergewirtschaftet wurden.
Noch vorhandene Exemplare weisen entsprechende Gebrauchsspuren auf. Eine nicht verkratzte Ladefläche zu finden, grenzt da fast an ein Wunder. Die Karosserie des D vollzieht den wohl größten Designsprung in der Geschichte der Rekord- Familie: Der amerikanische Charme verschwindet zugunsten eines „europäischen“, sachlichen und funktionalen Stils.
Was auf den ersten Blick bedeutet: niedrige Gürtellinie und weniger Chrom. A- und B-Säule sind extrem schmal und die Fenster dementsprechend größer, was dem Fahrer eine gute Rundumsicht verschafft. Die Kunstledersitze erinnern an Omas alten Fernsehsessel, nicht schick, aber bequem. Das Cockpit ist auf das Nötigste beschränkt.
„Der Rekord D war damals wahnsinnig modern“, erzählt Roland. „Seine nüchterne Linienführung macht ihn für mich zum Zeitlosesten der Rekord-Gang.“ Und genau diese schnörkellose Formgebung ließ die Fachpresse 1972 Lobeshymnen auf den Rekord D singen. Typisch Rekord: Auch der 97 PS starke Kombi ist schrauberfreundlich und technisch unkompliziert.
„Ab und zu muss man Öl und Bremsen checken“, legt Roland Matthias nahe. Vor einer besonderen Schwachstelle allerdings warnt der Rekord- Sammler: „Der untere Rahmenträger rostet oft wegen Kondenswasser von innen nach außen durch. Das lässt sich nur mit viel Aufwand richten! Ein Spengler kann das Blech heraustrennen und nachformen.
Dann sollte man es unbedingt mit Wachs ausstreichen.“ Generell ist der Bestand an Ersatzblechen katastrophal, und genauso düster sieht es bei der Innenausstattung aus. Verschleißteile hingegen gibt es noch reichlich. Rund elf Liter verbraucht der straff gefederte Caravan. Alltagstauglich ist er auch heute noch.
„Allerdings ist es im Innenraum recht laut. Ist ja schließlich alles Blech“, merkt Roland an. „Das steigert nicht gerade seine Attraktivität als Reisewagen.“ Doch sein Wert wird sich laut Roland steigern, denn gut erhaltene Fahrzeuge aufzutreiben ist schwer.
Plüschiger Reisewagen
Fast luxuriös mutet da der Rekord E 1,9 N von 1981 an, der mit seiner Metalliclackierung in Bernsteingold und der plüschigen Berlina-Ausstattung gegenüber seinen Vorgängern ein wenig anzugeben scheint. Gerade mal 31.500 Kilometer hat die viertürige 75-PS-Limousine von Friedrich Wenger auf dem Buckel, und sowohl die Innenausstattung als auch der Motorraum wirken wie geleckt.
Genauer betrachtet handelt es sich bei Friedrichs Rekord um ein Interimsmodell, das den Übergang vom E1 zum E2 markiert: Um die Rücklichter herum schmiegt sich eine schwarze Blende mit Chromrand, die Stoßstange hinten ist verlängert, und das Armaturenbrett gehört zum E2.
Friedrich ist zwar kein besonderer Opel- Freund, doch er liebt seinen Rekord E: „Er passt einfach zu mir, weil ich in die Jahre gekommen bin.“ Wichtiges Requisit hierfür: der Hut auf der Ablage. Und dabei war der Rekord E bei seinem Erscheinen 1977 topmodern – in erster Linie durch seine Keilform, die er dem Windkanal verdankt.
Doch das fahrdynamische Erlebnis sucht Friedrich bisher vergebens: „Es ist mehr die Entdeckung der Langsamkeit“, grinst er. Aber man genießt sie in plüschigen und bequemen Velourssitzen, mit viel Beinfreiheit, was auch Matthias erlebt, als er sich in den Fahrersitz lümmelt.
Dieser lässt sich in der Waagrechten und Senkrechten stufenlos verstellen, das Armaturenbrett ist übersichtlich, das Handschuhfach abschließbar. Matthias’ Fazit: Das Küken der Rekord-Familie bietet als perfekter Reisewagen den meisten Komfort. Und viel Stauraum obendrein.
Rund zehn Liter Super verbraucht der E, bis auf einen regelmäßigen Ölwechsel verlangt er herzlich wenig Zuwendung. Die technische Unkompliziertheit bleibt auch beim jüngsten und letzten Rekord erhalten. Auf eine Schwachstelle aber soll Matthias besonders achten: Die Federbeindombleche sind oft auffällig.
Sollte der Wunsch-Rekord dort einen Schaden haben, Finger weg und weitersuchen! Ansonsten ist die Ersatzteilversorgung Rekord-untypisch, nämlich komplett problemlos. Prognosen zur Wertsteigerung zu treffen, ist schwierig, dafür ist der Wagen noch zu jung. „Das Potenzial ist da, aber das wird noch dauern“, vermutet Friedrich.
Die Entscheidung
Welches Mitglied der Opel-Gang soll es nun sein? Zuverlässig und technisch unkompliziert sind sie alle, daher lässt Matthias diese Kriterien außen vor. Ganz klar: Würde er in erster Linie auf die günstigste Ersatzteillage oder den meisten Komfort achten, würde er in den Rekord E mit seiner plüschigen Berlina- Ausstattung einsteigen.
Doch dem jüngsten Rekord fehlt laut Matthias das gewisse Etwas: „Der E wäre die Vernunftentscheidung. Doch wo ist das Oldtimer- Flair?“ Es kann also nur eine Bauchentscheidung sein. In Sachen Sportlichkeit gibt es einen ganz klaren Sieger: Das Rekord B6 Coupé ist der spritzigste, doch auch der teuerste Rekord.
Außerdem ist er ein Exot. „Rainer war es die 17-jährige Suche wert, weil der B6 sein Kindheitstraum ist. Der Wagen ist wunderschön, aber die lange Suche würde es mir vergällen.“ Den meisten Platz bietet der D Caravan. „Er ist verdammt praktisch, und die klare Formgebung reizt mich sehr.“ Aber? „Ich bin nicht mit Herz dabei.
Das Klischee des Lastenesels kriege ich einfach nicht aus meinem Kopf. Auch der D wäre eine reine Vernunftentscheidung.“ Also: Rekord A oder C? Bei Coupés wird Matthias für gewöhnlich schwach. „Der A punktet aber auch mit seinen liebevollen Details. Die rot-weiße Innenausstattung und auch die kleine Blumenvase machen ihn richtig sympathisch.“
Aber? „Mein Bauch sagt mir: Nimm den C! Mir gefällt seine amerikanische Form. Er ist groß und gemütlich – genau wie ich“, grinst er. „Und mir gefällt Rolands Philosophie vom biederen Opa-Rekord!“