Daimler

Mercedes Coupés - Schwäb'sche Schätzle

Wer sich „früher“ ein Mercedes-Coupé leistete, hatte es geschafft: Das Einfamilienhaus war bezahlt, das Bankkonto gut gepolstert und der Nachwuchs meist schon ausgezogen. Auch heute noch zeugen die Mercedes-Schönheiten aus drei Jahrzehnten vom Geschmack des Besitzers, ohne jedoch das Budget allzu sehr zu strapazieren.

 
Mercedes Schönheiten aus drei Jahrzehnten. © Stefan Viktor
Mercedes Schönheiten aus drei Jahrzehnten.

Verzicht kann so schön sein: Wer, warum auch immer, irgendwann ins Musterländle zieht, hört solche Geschichten öfter: Der erfolgreiche Schwabe fährt unter der Woche mit einer „bescheidenen“ Mercedes-CKlasse zur Kundschaft: „Hanoi, mir wollet ja net unangenehm auffallet.“

Aber am Sonntag, wenn’s mit der Gattin Richtung Sommerfrische an den Bodensee geht, gilt dann doch meist das Motto: „Hadoch, nit schlecht geht ganz gut.“ Und dann holt der Baden-Württemberger Bürger den „schönen“ Wagen aus der Garage. Gern eines der betörenden Mittelklasse-Coupés aus dem Hause Daimler. Das ist verständlich, schließlich haben noble Zweitürer aus Untertürkheim eine lange Tradition.

Es scheint nicht einfach gewesen zu sein, einen adäquaten Nachfolger für die äußerst erfolgreiche „Heckflosse“ zu finden. Ungewöhnlich spät, erst zweieinhalb Jahre vor Markteinführung der Strich-Acht-Limousine, gibt der Vorstand der Daimler-Benz AG den endgültigen Designvorschlag vom Chef der stilistischen Vorentwicklung, Paul Bracq, und seinem Team frei.

Strich-Acht deshalb, weil das Modell 1968 erschien. Auf Basis der Limousine zeichnete der Franzose auch einen Zweitürer, der 1969 erschien und wie sein viertüriger Bruder zur Erfolgsstory wurde.

Der „Stricher“, wie er heute von Fans oft kurz genannt wird, ist ein Vertreter der guten alten Zeit: Klarer Korpus mit reichlich Chromlametta. Vorne breite Senkrechtscheinwerfer, die markante Mercedes-Kühlermaske mit Stern obendrauf. Massive verchromte Stoßfänger vorne und hinten.

Schwäbische Tugenden innen: gediegene Materialien, dürres Zweispeichenlenkrad mit Chromspange zur Hupenbetätigung. Drei gut ablesbare Rundinstrumente, von einem schmalen Holzfurnierstreifen eingefasst: ein Kombiinstrument links für Wassertemperatur, Tank und Öldruck, rechts der gleich große Tacho mit fünfstelligem Wegstreckenzähler, dazwischen die kleine Zeituhr von VDO. Und als Premiere: Die Hand- ist eine Fußbremse. Das Pedal sitzt links unten an der A-Säule neben der Motorhaubenentriegelung. Gelöst wird die Feststellbremse per Zugknopf links vom Lichtschalter.

Weitere Besonderheit: Die Entriegelung der Sitzlehnen arbeitet per Unterdruck, wird über die Türkontaktschalter des Innenlichts aktiviert und lässt sich auf Knopfdruck seitlich in den Lehnen betätigen. Unter dem Blech sorgen die neue Schräglenkerhinterachse und eine wartungsfreie Vorderachse mit Doppelquerlenkern für besseres Fahrverhalten und geringere Serviceintervalle. Den Radstand übernimmt der Zweitürer von der Limousine.

Bis zur Frontscheibe sind beide Versionen gleich. Doch dann beginnen die feinen Unterschiede: Das Dach ist um 45 Millimeter „tiefergelegt“ und kürzer, es gibt keine sichtbaren B-Säulen. Das sorgt für die gewisse Leichtigkeit des Aufbaus. Die vier Seitenscheiben sind voll versenkbar, auf Wunsch gar elektrisch. Aber das W114-Coupé ist formal nicht unumstritten: So wurden seinerzeit zuweilen das zu kleine Greenhouse und das lange Heck kritisiert.

Den Daimler nennen spöttische Journalisten in ihren Berichten deshalb auch despektierlich: „Schuhkarton mit Baskenmütze“Doch das Design hat auch Vorteile: Der Kofferraum des W 114 bietet 620 Liter Stauvolumen. Ein Wert, den selbst heutige S-Klassen der Marke nicht erreichen..

Unter der vorderen Haube thront der bewährte 2,5-Liter-Reihensechszylinder mit Vierganggetriebe oder gegen Aufpreis mit vierstufiger Automatik. Als 250 C mit Vergaser und 130 PS oder als 250 CE. Im 150 PS starken CE übernimmt erstmals beim Daimler eine elektronische Einspritzung die Kraftstoffversorgung. Die D-Jetronic von Bosch feiert 1968 im 1600 LE von Volkswagen Premiere. Kurzzeitig ist Ende 1968 sogar ein Strich-Acht-Coupé mit dem 4,5-Liter- V8 der S-Klasse in der Erprobung. Die Idee wird jedoch leider verworfen.

Ein 250er-Coupé kostet 1969 mit 16.820 Mark über 2.000 Mark mehr als die Limousine. Teurer wird es ab Herbst 1971: Für ein 280er-Coupé muss man mindestens 21.000 Mark hinblättern. Der legendäre M110-Motor mit zwei Nockenwellen liefert mit Vergasern 160 PS und als Einspritzer 185 PS. Viel wichtiger: Es gibt endlich eine serienmäßige Hohlraumkonservierung für den Strich-Acht, mit der das leidige Rostproblem etwas gelindert wird.

Die große Modellpflege 1973 bringt einige Veränderungen. Der Kühlergrill ist nun flacher und etwas breiter, die stark verrippten neuen Rückleuchten bleiben auch bei Verschmutzung noch sichtbar. Das Sicherheitslenkrad hat jetzt vier Speichen. Serienmäßig gibt es Automatikgurte und Kopfstützen vorn. Die praktischen Dreiecksfenster vorn entfallen, an deren Stelle wandert der von innen einstellbare Außenspiegel. Die Modelle mit Automatik haben jetzt einen Drehmomentwandler. Im Herbst 1976 endet die Geschichte des Strich-Acht. 1,9 Millionen Exemplare wurden gebaut, davon entfallen gut 67.000 Stück auf die exklusiven Coupés.

Unsere Testwagen

Sein Besitzer, Rainer Amann, holt den Benz gerne für Oldtimerrallyes oder Urlaubsreisen aus der Garage. Deshalb hat er auch eine Anhängekupplung für einen Fahrradträger nachgerüstet. Der 280 CE der ersten Generation mit 180.000 Kilometern auf dem Zählwerk wurde im Sommer 1972 erstmals auf einen Zahnarzt zugelassen.

Rainer Amann besitzt den Benz-Beau aus zweiter Hand nun 15 Jahre, seitdem ist er gut 30.000 problemlose Kilometer gefahren. Der dunkelblaue Sonderlack (904) strahlt neuwertig: Kunststück, es ist die zweite Farbschicht. Das ebenfalls blaue Interieur wirkt gepflegt und ohne Makel. Nicht einmal die Sitzwange links ist durchgescheuert, weil an den Flanken unverwüstliches MB-Tex verarbeitet ist.

Viele Extras hat Herr Doktor 1972 nicht geordert: Fünfgangschaltgetriebe, rechter Außenspiegel, heizbare Heckscheibe, je ein Lautsprecher vorn im Armaturenbrett und hinten auf der Hutablage – für die Klangverteilung sorgt ein Überblendregler in der Mittelkonsole.

Nur etwas stört das sonst stimmige Gesamtbild: das Digitalradio mit Pfeilnavigation. Doch immerhin, es ist ein original Mercedes-Gerät von Becker aus einer moderneren C-Klasse der 90er- Jahre, es lässt sich jederzeit gegen ein passendes Pendant mit Nadelstreifen tauschen.

Der Bestseller Strich-Acht läuft – auch auf Wunsch der bundesdeutschen Taxiinnung – noch bis in den Winter 1976 vom Sindelfinger Band, obwohl die Schwaben ihre neueste Mittelklasse, den W 123, schon im Januar 1976 zeigen. Ein gefälliger Wagen, dessen Bestellliste schnell lang und länger wird. Zeitweise liegen die Lieferfristen bei drei Jahren.

Der W 123 hat immerhin 45 Millimeter mehr Radstand wie sein Vorgänger W 114/115. Das zum Genfer Automobilsalon im März 1977 erschienene Coupé ist dagegen um 85 Millimeter in Radstand und Gesamtlänge verkürzt. Und: Wurde der Vorgänger noch als gewöhnlicher Wagen (daher das W 114) mit W bezeichnet, gibt es beim neuen Zweitürer nun eine eigene Nomenklatur: Er hat ein C (für Coupé) vor der dreistelligen Ziffernfolge stehen. Das Dach liegt 43 Millimeter flacher als bei der Limousine.

Das stimmige Design stammt noch von Friedrich Geiger, dem Stylisten des R 107. Die Zweitürer orientieren sich optisch an den großen Limousinen mit sechs Zylindern. Ihre Erkennungszeichen: Breitband- statt Doppelrundscheinwerfer, verchromte Lufteinlässe unterhalb des Windleitblechs der Frontscheibe, und am Heck tragen die C 123 unterhalb der Rückleuchten einen dezenten Lidstrich in Chrom und Gummi. Insgesamt wirkt der C 123 trotz stärker geneigter Front- und Heckscheibe weniger filigran und pummeliger als sein Ahne.

Neue Zeiten - Sicherheit aus Kunststoff

Auch innen ändert sich alles: Die vollumschäumte Kunststofflandschaft in Beige, Braun, Grün, Blau oder Schwarz wirkt ein bisschen wie aus einem der psychedelischen Charles-Wilp-Werbefilme der 60er-Jahre. Tatsächlich war der Grund des verschwenderischen Polymerschaum- Einsatzes das Thema passive Sicherheit – eine Mercedes-Spezialität.

Auch die verformbaren Front- und Heckpartien mit stabiler Fahrgastzelle zwischendrin haben die Aufgabe, die Insassen vor Verletzungen bei einem Unfall zu schützen. Das Cockpit orientiert sich an den Markenkollegen: Drei Rundinstrumente bieten alle relevanten Informationen zum aktuellen Betriebszustand des Fahrzeugs.

Für Vielfahrer gibt es in der langen Aufpreisliste gar einen siebenteiligen Koffersatz für 1.510 Mark. Und weil der Körperumfang der reiferen Klientel mit dem erreichten Wohlstand der 80er scheinbar proportional gewachsen ist, gibt es für jeweils knapp 27 Mark verstärkte Sitzfedern vorn.

Jetzt auch mit Vierzylinder

Motorisch bleibt es weitgehend bei den Antrieben des Strich-Acht. Allerdings gibt es im 230C nun auch einen 109 PS starken Vierzylinder. In einer anderen Liga fahren die Sechszylindermotoren des C 123. Als 280 C mit 156 PS oder mit K-Jetronic-Einspritzanlage im 280 CE, der 177 PS ans Schaltgetriebe weiterreicht. Im September 1979 folgt bei den Limousinen die zweite Serie: kleinere Kopfstützen, bei den Stoffen verschwinden die klassischen Schottenrockdessins, dagegen sind nun sachliche Streifenmuster en vogue. Ebenfalls neu: die pneumatische Leuchtweitenregulierung der Scheinwerfer.

Schwäbische Tugend - Sauber sparen

Ein Jahr später ersetzt der gut 33.000 Mark teure 230 CE mit M-102-Motor die alte Version mit durstigem Stromberg-Gleichdruckvergaser. Bereits ab August des Jahres (also Modelljahr 1981) gibt es für 3.000 Mark Aufpreis die Antiblockierbremse ABS als Extra. Ab März 1982 ist auch ein Airbag für den Fahrer (1.800 Mark Aufpreis) erhältlich. Im Oktober des Jahres folgt die dritte und letzte Serie der Baureihe 123. Jetzt mit Servolenkung und Kraftstoffverbrauchsanzeige im linken Kombiinstrument.

Ab 1983 ziehen pyrotechnische Gurtstraffer in die Baureihe ein, erkennbar am SRS-Schriftzug auf den vorderen Gurtzungen. Wer noch mehr Sicherheit will, kann auf Kundenwunsch auch einen ultrararen Luftsack für den Beifahrer ordern. Anfang 1984 kann der 230 CE mit geregeltem Kat bestellt werden.

Fast 100.000 Coupés werden verkauft, die Hälfte davon Vierzylinder. Ausschließlich für den US-Markt entstehen bis August 1985 gut 15.000 Zweitürer mit einem verbrauchsarmen Dieselmotor unter der gewölbten Motorhaube.

Unsere Testwagen

Seit 1984 ist das Coupé Mitglied der Familie Ott aus Böblingen. Erstkäufer war ein Jahr zuvor ein „Schaffer vom Daimler“, der immerhin über 21 Prozent Werkangehörigenrabatt bekam. Dennoch standen summa summarum schließlich 34.801 Mark auf der Rechnung.

Dafür gab es einen lapisblau-metallicfarbenen 280 CE mit Dreistufenautomatik, das Stahlschiebedach, die Fenster vorn sowie die Antenne im Heckseitenteil können elektrisch betätigt werden. Dazu noch die Vorstandsfelgen, vulgo Fuchs-Alus, einen rechten Außenspiegel (ebenfalls elektrisch verstellbar) und wärmedämmende Verglasung. Immerhin: Das Handschuhkastenschloss war im Gegensatz zur Limousine serienmäßig beim C 123.

Ein Wurm-Kat wurde nachgerüstet und kostete weitere stattliche 1.500 Mark. Dafür gibt’s heute aber auch eine grüne Feinstaubplakette in die gewölbte Windschutzscheibe. Dieser 30 Jahre alte 280er hat keine 100.000 Kilometer auf dem glänzenden Blech. Die blauen Stoffsitze schützen Lammfelle, für Verkehrsinformationen sorgt das nicht originale, aber zeitgenössische Kassettenradio der Marke Autosound aus dem Zubehör.

Dennoch, man sieht es schon von Weitem: Dieser Benz gehört zur Familie und wird geliebt. Eine schöne neue Welt beginnt beim Daimler Ende 1987 und bringt gleichermaßen Verzicht wie Verschwendung: Der neue C 124 kommt außer an Kühlermaske, Sternen und Schriftzug am Heck ganz ohne Chromschmuck aus. Hat aber dafür einen elektrischen Butler, der wortlos diskret den Sicherheitsgurt anreicht – das ist Luxus an der Grenze zur Dekadenz.

Der fast chromfreie C 124 passt gerade deshalb hervorragend in die Zeit. Wo früher glänzende Aluleisten die Fenster einrahmten, sind es heute eloxierte hämatitfarbene Zierelemente, benannt nach einem kohleschwarzen Gestein. Die Designlinie ist formal vielleicht etwas zu asketisch – doch sie entspricht der Philosophie des schwäbischen Italieners Bruno Sacco, der 1975 Nachfolger des legendären Stilistikchefs Friedrich Geiger wird.

Wie beim C 123 exakt um 85 Millimeter gekürzt, basiert auch das Coupé auf der Architektur der viertürigen Limousine. Eine Folge umfangreicher Versuche in Windkanal: Das Heck ist schmaler als die restliche Karosse, die hinteren Ecken sind oben abgerundet, das macht den 124 windschlüpfig. Der gute Luftwiderstandsbeiwert liegt auch an den „Sacco-Brettern“, den Kunststoffplanken oberhalb der Schweller, die an der Limousine ab 1990 Verwendung finden, aber bei den Fans für reichlich Diskussionen (und später für Rostnester am Blech) sorgen.

Benz Mittelklasse - Willkommen Daheim 

Innen keine Experimente: Wer es nicht weiß, denkt, er sitzt in einer Limousine. Ein bisschen Holz in der Mitte des Cockpits, das war’s an Differenzierung. Armaturen? Ebenfalls Standard: Drei große Rundlinge direkt vor dem Piloten. Ergonomie und Ablesbarkeit sind nie wieder so klar und grundgut wie in der 124er-Baureihe.

Die Technik ist überarbeitet, die Motoren stammen leicht modifiziert vom Vorgänger. Das neue Coupé gibt es zunächst als vierzylindrigen 230 CE mit katalysatorsauberen 132 PS (ohne Kat 136 PS). Das klingt aus heutiger Sicht zwar etwas müde, doch das Einstiegsmodell in die noble Coupéwelt endet auf der Autobahn immerhin erst bei 200 Sachen.

Spürbar mehr Dampf bietet der Sechszylinder: Im 300 CE liegen 180 Pferde an der Fünfgangschaltbox (gegen Aufpreis Vierstufenautomatik) an, und der Sprint endet erst bei 225 Stundenkilometern. Was weniger zu dem gediegenen Coupé passt: Untenrum geben sich die Reihensechser etwas unwillig. Sie brauchen Drehzahlen, um die Lebensfreude beim Spurt zu entdecken. Unverständlich auch, dass die Untertürkheimer sich bei den Coupés nie zu einem wirklich souveränen Achtzylinder (wie in der 400 und 500 E-Limousine) durchringen konnten.

Im Herbst 1989 kommt die Modellpflege zur zweiten Serie. Sie bringt etwas mehr Holz in die Hütte (Handschuhkastendeckel und Türen), und die umstrittenen Planken außen werden passend zur Lackierung in harmonischeren Komplementärfarben eingefärbt. Offizielles Topmodell ist jetzt der 300 CE-24 mit 220PS. Es gibt aber auch AMG-Modelle mit bis zu 272PS aus 3,4 Litern Hubraum, 300 CE 3.4 genannt. Für Italien, Griechenland und Portugal gab es zudem von 1990–92 auch einen 200 CE.

1993: Die Geburt der E-Klasse

Anfang 1993 werden die Motoren vierventilig. Nun bietet Daimler auch die Coupés als 200 (136 PS) und 220 (150 PS) zu „günstigeren“ Kursen an. Am anderen Ende der Leistungsskala liegt der 320 CE, wie der Vorgänger mit 220 PS. Der 3,2-Liter-Motor ist der letzte Mercedes-Reihensechszylinder. Mitte 1993 folgt die finale Mopf, wie die Modellpflege bei Daimler heißt. Auffälligste Änderung: Die Mittelklasse heißt jetzt E-Klasse.

Erkennbar ist die letzte Evolutionsstufe an den weißen Blinkergläsern vorn und der geänderten Kühlermaske mit Stern auf der Motorhaube. Für heutige Interessenten wichtig: Zu dieser Zeit wurde die Lackieranlage auf wasserlösliche Farben umgestellt. Die dritte Serie gilt daher als weniger rostresistent.

Ende 1996 fährt nach fast 141.500 Exemplaren das letzte Schwabencoupé dieser Baureihe, die noch aus dem Vollen geschnitzt war, ins Museum. Die theoretischen Nachfolger basieren nicht mehr auf der Mittelklasseplattform: Der CLK (C 208 ab 1997) und C 209 (ab 2002) basieren auf der jeweiligen C-Klasse. Und den lieb gewonnenen Gurtbringer haben die Nachfolger leider auch nicht mehr.

Der Testwagen

Unser 230 CE stammt aus dem Sommer 1991, ist also „Mopf 1“. In Anthrazitgrau (Farbcode 172) steht der schmucke Schwabe auf den originalen Zehnloch-Alus, die mit Pneus der Dimension 205-15 bestückt sind. Daniel Nonnenmacher „schafft beim Daimler“, wie es im Ländle heißt. Der 31-jährige Angestellte hat seinen Traum-Benz aus zweiter Hand vor über vier Jahren gekauft. Jetzt steht der Kilometerzähler gerade auf 92.200.

Die Ausstattungsliste umfasst (fast) alles, was Sternensammler in ihrem Daimler so schätzen und suchen: Vierstufenautomatik, Klimaanlage, elektrische Fenster, Metalliclack, automatisches Sperrdifferenzial (ASD), elektrische Antenne. Nonnenmacher ist Pragmatiker, der C 124 dient ihm als komfortabler Daily-Driver für die Fahrt zu seiner Arbeitsstelle im Mercedes-Werk Sindelfingen.

Der graue Star steht rüstig da, keine Dellen, kaum Kratzer, die elektrischen Gurtbringer funktionieren, und bis auf ein neuzeitliches MP3-Radio ist dieses Coupé original. Kleines Manko und typisch für Mercedes der Dekade – die Heckscheibe ist in den Ecken eingetrübt, weil sich die Folie der Sicherheitsverglasung löst. Ganz klar: Hier wird auf höchstem Niveau verglichen. Besonders das W 114-Coupé mit dem stattlichem Reihensechszylinder war zu seiner Zeit echter Luxus. Selbst wenn es immer einen Zweitürer „obendrüber“ im Mercedes- Sortiment gab (das Coupé der S-Klasse).

Der W 114 ist ein Kind der sachlichen 60er und erinnert mit seinen Chromleisten auf dem verkürzten Dach stilistisch an die Pagode, mit der er sich auch die Antriebstechnik teilt. Der Vortrieb ist standesgemäß, der Fahrkomfort kann auch heute noch überzeugen. Nur der Benzindurst ist völlig unzeitgemäß – im Stadtverkehr strömen locker zwischen 15 und 20 Liter durch die sechs Bosch-Einspritzdüsen.

Doch wen stören so schnöde Kleinigkeiten wie erhöhter Kraftstoffverbrauch, wenn er hinterm dürren Bakelit-Lenkrad über den stolzen Stern die linke Spur der Autobahn anpeilen darf. Und weil sie stets gehegt und gehätschelt wurden, haben auch mehr Mercedes-Coupés überlebt als gewöhnliche Taxis mit Zweiliter- Diesel und mageren 55 PS. Was auf der Probefahrt besonders gefällt: das Raumgefühl.

Nie haben Autos später so ein vergleichbar luftiges Greenhouse, so schmale Säulen, so eine gute Rundumsicht und einen Innenraum mit serienmäßig eingebautem Echo. Die Verarbeitung wirkt wie aus dem Vollen gedrechselt, zwei Personen reisen mehr als komfortabel bis ans Ende der Welt. Das Platzangebot des 2+2-Sitzers ist üppig wie der Kofferraum. Doch das Wichtigste: Mit den Doppelchromstoßstangen an der Front macht er jedem Vorausfahrer klar: Hier kommt ein potenter Mercedes mit Power unter der Sternenhaube – es ist Zeit, nach rechts auf die Mittelspur zu wechseln: Die Strahlkraft eines Strich-Acht-Coupés wirkt auch heute noch.

Der neue Luxus heißt Verzicht – das könnte das Motto des C 123 sein. Erstmals treiben auch Vierzylinder die Hinterachse eines Mercedes- Coupés an. Zwar scheint selbst ein 230 CE aus jeder Blechfuge etwas arrogant zu behaupten: Ich bin etwas Besonderes, doch von vorn ist der stattliche Mehrpreis von gut 5.000 Mark für die Reduzierung auf zwei Luken nicht sofort erkennbar.

Die Unterscheidungsmerkmale sind klein, aber fein. Die Doppelchromleiste vorn bleibt zwar als Erkennungszeichen den Sechszylindern vorbehalten, doch ein Vierzylinder- Coupé mit Einfachstoßstange wirkt im Rückspiegel wie eine triviale Limousine mit Breitband- H4-Scheinwerfern. Dennoch: Die 123er bleiben Repräsentanten der exklusiven Lebensart. Ein schmaler Holzstreifen ziert das Armaturenbrett, auch die pneumatische Entriegelung der Vordersitzlehne – bekannt aus dem Vorgänger – und eine Servolenkung sind immer dabei.

Dank breiter C-Säule herrscht ein recht kuscheliges Sofagefühl im Fond und vorn hinterm riesigen Steuerrad im dick gepolsterten Innenraum die Gewissheit, aus dem Gröbsten raus zu sein. Der „Dicke“ (Kanzler Helmut Kohl) hat einmal den Satz geprägt: „Wir leben in einer kollektiven Freizeitgesellschaft.“ Die 124er-Coupés passen bestens in dieses Klischee.

So ein solider Zweitürer schwäbischer Fertigung ist schließlich nicht für den täglichen Weg des Arbeiters ans Band einer Fabrik konstruiert (auch wenn er das natürlich jederzeit könnte), sondern eher für den gepflegten Wochenendausflug mit der Gattin.

p<>Mag der Blick des Fahrers auf Armaturen und Lenkrad dem eines Droschkenkutschers in einer herkömmlichen Diesel-E-Klasse gleichen, das Fahrgefühl im C 124 ist doch meilenweit entfernt davon. Das beginnt schon nach dem Einsteigen: Man möchte sich eigentlich immer umdrehen und Danke schön sagen, weil der freundliche Elektrohelfer den Gurt bequem in Griffnähe anbietet. Das erspart wenig elegante Verrenkungen der vorderen Passagiere zur naturgemäß weit hinten liegenden Gurtfixierung an der gestutzten B-Säule des Coupés. Ein C 124 ist voll alltagstauglich und selbst von den Fahrleistungen her noch auf der Höhe der Zeit. Zudem sind sie preislich immer noch unterbewertet.

Stylischer Oldtimer

Alle drei Kandidaten sind in Design, Qualität und Strahlkraft ausgesprochen mercedig. Zwei Türen weniger, dafür ein satter Aufpreis von rund 25 Prozent gegenüber einer vergleichbaren Limousine – das ist die simple Welt eines jeden Mercedes-Coupés.

Doch die besondere Ästhetik der schwäbischen Schönheiten lässt sich kaum in Euro und Cent bemessen. Das gilt selbst für einen vierzig Jahre alten Strich-Acht. Seine sachliche Linie verströmt den existenzialistischen Anspruch der 1960er-Jahre. Reichlich Chromzierrat sorgt für den optischen Abstand zur Masse. Und: Ein W 114 (W 115 waren Limousinen mit Vierzylinder) liefert selbst im Jahr 2014 absolut angemessene Fahrleistungen.

Der Preis ist ein üppiger Expresszuschlag an der Tanke. Doch das satte Fahrgefühl, das gediegene Design und das wertige Interieur entschädigen für mögliche Unbilden an der Zapfsäule. Entscheidendes Manko heutiger Strich-Achter: Obwohl sie gern das weniger bewegte Zweitauto des Hauses waren und dementsprechend gepflegt wurden, geht die Zeit auch an diesem Benz-Coupé nicht spurlos vorüber. Rost ist der ärgste Feind des hübschen Blechkleids.

Kommende Klassiker mit Style

Ausgesprochen formschön gibt sich auch der Nachfolger C 123: Etwas Holz in der Hütte, voll versenkbare hintere Seitenfenster, schwungvoll gewölbte Heckscheibe und ein ungebrochen starkes Image mit Strahlkraft. Zwar wurden vom C 123 meist Vierzylinder verkauft, doch die beste Wahl ist ein säuselnder Sechsender mit den zwei oben liegenden Nockenwellen. Der Sechszylinder mit 2,8 Litern Hubraum passt ideal zum gehobenen Anspruch der Marke.

Auch das Interieur erfüllt die Erwartungen der zahlungskräftigen Kundschaft. Der Innenraum orientiert sich an den zeitgenössischen Markenbrüdern W 116 (S-Klasse) und R 107 (SL) und stammt aus dem schwäbischen Baukasten: Übersichtliches Kombiinstrument mit drei Uhren, runde Lüftungsdüsen, behaglichstes Sitzgestühl. Er ist aus heutiger Sicht wohl der harmonischste und dabei sehr alltagstaugliche Kandidat in diesem Vergleich.

Bestimmt liegt’s am Alter des Betrachters und daran, dass die Daimler-Designer von Anfang an einen Zweitürer im Portfolio vorgesehen hatten. Deutlich gewachsen und optisch stattlicher fährt der Letzte im Trio statusbewusst vor: Der C 124 wirkt, trotz zierlicher Coupélinie, mächtig. Die breite C-Säule umrahmt die wie beim Vorgänger stark gewölbte Heckscheibe. Er ist nicht so massig wie das C 140-Coupé der S-Klasse, doch die Familiengene sind klar erkennbar.

Youngtimer mit Potenzial oder Klassiker?

Alle drei Daimler machen eine hervorragende Figur – welcher der beste ist, bleibt eine Frage der Brieftasche und der persönlichen Präferenzen. Ein Strich-Acht ist immer noch alltagstauglich, doch für den täglichen Weg ins Büro mittlerweile zu schade und zu wertvoll.

Auch der C 123 hat seinen festen Platz im automobilen Pantheon längst gefunden. In der Oldtimerstatistik gehört die Baureihe zu den beliebtesten überhaupt – zu Recht. Wohl kaum ein Youngtimer hat so viel Stil und ist zugleich noch vergleichsweise bezahlbar.

Doch die Preise ziehen an. In einer anderen Kategorie fährt sein Nachfolger, der C 124. Eine feste Burg ist unser Benz, der abgewandelte Luther-Satz passt perfekt auf die erste (ab Herbst 1993) E-Klasse. Wie kaum eine Baureihe strahlt dieser Daimler die Solidität eines Geldschranks aus.

Auch wenn es weniger Bares aus dem Safe bedarf, um ihn zu besitzen. Und es lohnt sich. Allein für den raffinierten elektrischen Gurtbringer lieben wir den 124er. Welchen wählen? Für den Alltag einen 300er der Baureihe C 124 oder einen C 123 280 CE, und am Wochenende, wenn’s mit der Gattin zur Sommerfrische am Bodensee geht, darf der zweitürige Strich-Acht aus der Garage.

TEXT und FOTO: Stefan Viktor
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