Wiederbelebter Veteran von 1916

Opel 6/16 Restaurierung – Torpedo für die Landstraße

Manch ein Oldtimer-Freund mag Werner Hüppes Vorliebe zu den richtig alten Veteranen wie seinen Opel 6/16 belächeln. Doch wer einmal in solch einem Fahrzeug unterwegs war, wird ihn verstehen. Denn: Der Opel 6/16 von 1916 sieht nicht nur flott aus, er ist auch durchaus fahrbar. Und die Restaurierung ist nicht so aufwendig, wie man erwarten dürfte.
 
Wiederbelebter Veteran von 1916: Der restaurierte Opel 6/16 von Werner Hüppe © Bodo Wistinghausen
Wiederbelebter Veteran von 1916: Der restaurierte Opel 6/16 von Werner Hüppe

Seit dem Ende der 1970er-Jahre beschäftigt sich der Opel-Händler Werner Hüppe aus dem Borkener Land vornehmlich mit Klassikern des frühen 20. Jahrhunderts.

Von Beginn an restaurierte Werner Hüppe selbst. Denn: Fertige Fahrzeuge gab es ausschließlich in Museen oder sie waren sehr teuer. Über viele Jahre ist er dabei zum Spezialisten geworden.

Die Restaurierung eines fast 100 Jahre alten Fahrzeugs will jedoch auch für einen Profi wohlüberlegt sein und erfordert viel Geduld und Planung. „Das liegt aber nicht an der Technik, die ist zumeist nach heutigen Vorstellungen simpel“, so der Messingfreund.

Ein größeres Problem seien die häufig nur bruchstückhaften Informationen zum Fahrzeug. Der Oldie-Fan macht das Hauptproblem aber noch ganz woanders aus: „Die größte Schwierigkeit besteht darin, überhaupt eine verwertbare Restaurierungsgrundlage aufzutreiben.“

Das geht dann nicht selten frei nach dem geflügelten Wort ‚friss oder stirb‘: Wenn auch nur der Hauch einer Chance auf Restaurierung besteht: zuschlagen – und sei es in den entlegensten Regionen.

Der Opel 6/16: Das Geschäft seines Lebens

Für seinen Opel 6/16 aus dem Baujahr 1916 ist Werner Hüppe Anfang der 90er-Jahre bis nach Schweden gereist. In Deutschland selbst war, so seine Erfahrungen, nach den beiden Kriegen nicht mehr viel zu holen.

In den 80er-Jahren war der 72-Jährige hingegen häufig im hohen Norden. Über drei bis vier Jahre lang gab es Kontakt zu einem Verkäufer, der zwei Motoren hatte, da lohnte sich die Reise.

Leider waren die Sprachkenntnisse auf beiden Seiten mau. Irgendwann tauchte der Nachbar auf. „Der sprach Deutsch, weil er mal in der Nähe von Raesfeld gearbeitet hatte“, erinnert sich Hüppe an den kuriosen Zufall.

„Das war ein seltenes Glück und er vermittelte zwischen dem Verkäufer und mir.“ Schnell wurde klar, dass der Mann nicht die Motorenverkaufen wollte, sondern eigentlich ein ganzes Auto: einen Opel 6/16, an dem bereits erste Restaurierungsarbeiten vorgenommen worden waren.

Der Deutsche sollte ein Angebot machen, nannte 10.000 und meinte D-Mark. Der Schwede forderte 12.000 und Werner Hüppe ging darauf ein. Bis Minuten später klar wurde, dass der Verkäufer von schwedischen Kronen sprach – umgerechnet etwa 4.000 D-Mark – und Hüppe das Geschäft seines Lebens machte.

Der Opel wird in 2 Jahren restauriert

Im Prinzip sollte da ein komplettes Fahrzeug anrollen. Doch Werner Hüppe machte sich keine Illusionen über die Baustelle, die er an Land gezogen hatte und er lag richtig.

Über seine langjährigen Kontakte zu Opel erhielt er zunächst einmal Daten und Maße: Die Basis für eine erfolgreiche Restaurierung. Beim 6/16 fehlte beispielsweise das hintere Stück des massiven Rahmens mit der kompletten Aufnahme der Hinterachse, also mussten hier die Maße rekonstruiert werden.

Vieles war doppeltvorhanden, dafür fehlten andere Teile und natürlich war nicht mehr alles zu gebrauchen.

So fehlten die hinteren Kotflügel. Der Neubauder einfach geformten Stahlblech-Kotflügel war für eine Metallwerkstatt aber kein Problem. Das Gleiche galt für die Blattfedern.

Werner Hüppelacht: „Da hat sich in den letzten 100 Jahren erstaunlich wenig verändert.“ Natürlich mussten auch bewegliche Teile wie die Buchsen an den Achsschenkeln der Vorderachse erneuert werden. Das ist Handwerksarbeit, die auch einen versierten Bastler nicht überfordert.

Ganz anders sah das bei der Karosserie aus: Die filigranen Teile im Frontbereich waren zum Glück komplett und in gutem Zustand, aber das monocoqueartige Hauptteil fehlte dafür vollständig.

Für die Karosserieform, die als Torpedo-Sport bezeichnet wird, konnte der erfahrene Fachmann auf alte Zeichnungen des Herstellers zurückgreifen. „Ohne detaillierte Maßangaben kann man das sonst gleich vergessen.“

Der Unterbau aus Eschenholz fehlte beim 6/16, die verbliebenen Reste waren vergammelt. Für die Restaurierung oder Neuanfertigung des Holzrahmens und der Karosserie rät der 72-Jährige dringend, Fachleute zu beauftragen: „Da muss ein erfahrener Stellmacher dran.“

Und den hatte Werner Hüppe. Der Neubau dauerte dennoch etliche Wochen, erst dann konnte die Karosserie aus einem Millimeter dicken Stahlblech angefertigt werden.

Die simple Technik im 6/16

Der wassergekühlte Reihenmotor ist simpel gebaut und für einen guten Motorenbauer eigentlich kein Problem. Dennoch ist Erfahrung gefragt bei der Montage des seitengesteuerten Vierzylinders, der keinen Zylinderkopf hat.

Aber alles, was nicht mehr funktioniert und verschlissen ist, muss in aller Regel angefertigt werden. Das war beim 6/16 bei den Stirnrädern der Fall. Dafür verwendete Opel schon vor 100 Jahren Wälzlager in Normmaßen, die auch heute noch gebräuchlich sind.

Das Gleiche gilt für die Zündkerzen. Insgesamt warnt der Raesfelder aber vorübertriebenem Perfektionismus: Eine 100 Jahre alte Maschine ist zum Beispiel nie ganz öldicht zu bekommen.

Für den Umbau auf Simmeringe ist aber meist nicht ausreichend Platz. Und es gibt auch Teile, die selbst eine gut sortierte Werkstatt nur schwer ersetzen könnte.

So war Werner Hüppe besonders erleichtert, dass der Kühler in Ordnung war, denn dafür ist originalgetreuer Ersatz wirklich teuer. „Gerade bei so einem Auto ist der Kühler das Gesicht“, weiß er und ergänzt: „Da muss alles stimmig sein.“ Die Messingteile sind maßgeblich für die Authentizität eines solchen Autos. Und davon hat ein Oldie der Auto-Frühzeit jede Menge.

Das größte Einzelteil aus Metall fehlte jedoch: der Tank. Zum Glück ist der 72-Jährige auch gelernter Metallschlosser.

Dennoch dauerten die Arbeiten vom Zuschneiden der Bleche bis zum Verlöten mit Silberlot 18 Stunden. Alle mechanischen Teile, die noch verwendet werden konnten, mussten zerlegt und gängig gemacht werden.

Alltagstauglich mit Einschränkungen

Für eine bessere Alltagstauglichkeit versteckte Werner Hüppe unter dem Blech einige Verbesserungen. So installierte er aus Gründen der Betriebssicherheit eine moderne Drehstromlichtmaschine.

Die Magnetzündung produziert ihre eigene Energie und der Motor kann angekurbelt werden. Zudem verlegte er die neuen Kabel im Motorraum in geschützten Röhren, für die er selbstverständlich Messing als Material wählte.

Für den selbst gebauten Auspuff verwendete er Edelstahl. Sorgfalt war bei den Rädern angesagt: Die Felgen können nicht dynamisch ausgewuchtet werden.

Zwischen den Speichen befinden sich Gewichte, an denen in gewissem Umfang Einstellungen vorgenommen werden können. Dafür wurde das Rad an der Nabe drehbar aufgehängt und dann so lange probiert, bis alles im Lot war.

Zwar werden auch heute noch Felgen nachgefertigt, aber die sind nicht billig. Reifen hingegen sind problemlos zu bekommen.

Fazit mit Licht und Schatten

Auf der Landstraße bereitet der alte Opel richtig Spaß und ist erstaunlich gut fahrbar. Das Fahrverhalten des Messingveteranen ist für heutige Verhältnisse natürlich gewöhnungsbedürftig.

Die Kulissenschaltung für das unsynchronisierte Vierganggetriebe befindet sich rechts außerhalb der Karosserie, genau wie die Handbremse. Die Vorderräder sind gänzlich ungebremst.

Das Fußpedal wirkt als Innenbackenbremse auf die Getriebeausgangswelle. Die Handbremse wirkt auf die Trommeln an den Hinterrädern.

„Mit ein wenig Erfahrung sind die mechanischen Bremsen gut einstellbar und machen wenig Probleme“, weiß Hüppe und ergänzt: „Man fährt mit so einem Auto ja nicht mehr ständig durch Dreck und Nässe, sodass die Mechaniken schnell festgammeln würden.“

Schnell fährt man schon gar nicht: Mit 60 Kilometern pro Stunde stößt der Altbolide schon an seine Grenzen.

TEXT und FOTO: Bodo Wistinghausen
Artikel aus Auto Classic Ausgabe 05/2015. Jetzt abonnieren!
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