Herausforderung Karosseriearbeiten

Runde Bleche formen wie ein Profi

Bei Karosseriearbeiten sind gewölbte Bleche die größte Herausforderung. Jedes Fahrzeug hat ­Bleche mit mehr oder weniger starken Wölbungen und Rundungen. Wie man solche Bauteile selbst herstellt, zeigt unser AUTO CLASSIC-Spezialist.

 
Gewölbte Bleche sind die größte Herausforderung bei Karosseriearbeiten. © Kay MacKenneth
Gewölbte Bleche sind die größte Herausforderung bei Karosseriearbeiten.

Am Anfang jeder Karosseriearbeit steht die Wahl des richtigen Blechs. In den meisten Fällen handelt es sich bei Karosserien um kalt- oder warm gewalztes Weißblech, seltener auch um Aluminium. Je nach Einsatzzweck kommen die verschiedensten Blechhärten und -stärken zum Einsatz.

So sind an Schwellern und tragenden Teilen eher härtere Bleche mit einer geringeren Formbarkeit notwendig, während bei gewölbten und kurvigen Anbauteilen ein Blech zum Einsatz kommt, das leichter formbar ist. Ersteres Flachzeug – so heißt gewalztes Blech im Fachjargon – nennt man „Blech mit Regelgüte“.  Die Regelgüte bezeichnet in diesem Falle die geringe Bruchfestigkeit beim Biegen des Blechs.

Hartes Blech mit geringer Regelgüte ist geeignet für Umformarbeiten wie Abkanten, Sicken und das Ziehen von Blech. Schwierigere Profile können mit einem solchen Blech nicht angefertigt werden: Ein Blech mit Regelgüte hat zwar eine sehr hohe Zugfestigkeit, aber eine geringere Bruchdehnung. Dies bedeutet, dass bei zu stark abgekanteten Stellen das Blech leicht brechen kann.

Die technische Bezeichnung für ein Blech mit Regelgüte ist St 02 oder auch H02. Für Formen ist ein Blech mit „Tiefziehgüte“ notwendig. Damit können Profile, Wölbungen, Prägungen und Sicken auch mit größeren Blechstärken gut geformt werden. Dieses Blech wird technisch mit St05 oder H05 bezeichnet. Noch formbarer ist ein St06-Blech der sogenannten Sondertiefziehgüte. Ein solches Blech sollte jedoch nicht für tragende Teile am Fahrzeug verwendet werden.

Wichtig ist bei Blechen auch die Bruchdehnung. Beim Biegen erhalten Werkstücke aus Blech eine andere Form. Damit ein Formteil ausreichend gebogen werden kann, muss das Blech möglichst gut verformbar sein. Wird die Elastizitätsgrenze des Materials überschritten, bricht das Material. Dies ist bei härteren Blechen eher der Fall als bei weichen Tiefziehblechen. Je höher die Bruchgrenze, desto größer muss der Biegeradius im Verhältnis zum Blech sein.

Auch beim Strecken und Stauchen treten an den Biegestellen molekulare Veränderungen auf. An der Außenseite der Biegung wird das Blech gestreckt, die molekulare Struktur wird sehr gedehnt und auf der Innenseite der Biegung gestaucht, also die Struktur der einzelnen Moleküle extrem verdichtet. Wird die molekulare Struktur zu sehr überbeansprucht, ist die Folge Materialbruch. Für die Herstellung von starken Rundungen aus Aluminium wird in der Regel Aluminium der Güte Al 99,5 verwendet.

So formen Sie Bleche mit der Flamme

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Richtig aufziehen und schweifen

Für leichte Wölbungen in flachen Blechen verwendet man das Aufziehverfahren. Dazu wird das flache Blech auf einem flachen Amboss mit einem Kugelhammer getrieben. Wichtig für ein sauberes und gleichmäßiges Ergebnis ist, dass sowohl Amboss als auch Hammer immer eine saubere und glatte Oberfläche haben.

Um den Amboss zu glätten, schleift man diesen am besten regelmäßig mit einer Schleifscheibe ab und glättet anschließend die Oberfläche mit einer Polierscheibe. Das flache Blech wird auf die glatte Oberfläche aufgelegt und von der Mitte aus konzentrisch mit dem Kugelhammer getrieben. Dieses Verfahren nennt man Aufziehen. Dabei wird das Blech von der Mitte aus gestreckt und formt entsprechend eine Wölbung. Konzentrisches Treiben bewirkt, dass die Wölbung gleichmäßig bleibt.

Wichtig bei allen Umformarbeiten an Blech ist der richtige Umgang mit dem Hammer. Wie der Begriff „umformen“ bereits aussagt, handelt es sich beim Treiben des Blechs um einen „weichen“ Vorgang. Heftige Schläge mit dem Hammer führen nur zu einer allzu groben Strukturveränderung im Blech. Wichtig: Legen Sie sich verschiedene Hammer mit unterschiedlichen Schlagflächen und Gewichten zu. Das Umformen erfolgt mit leichten und gezielten Schlägen.

Besonders bei anfänglich zu starkem Aufziehen bilden sich am Rand des Blechs Falten. Die beseitigen Sie durch entsprechendes Stauchen, bis eine Glättung eintritt. Durch das Hämmern wird das Blech sehr hart. Für stärkere Wölbungen ist daher entsprechendes Zwischenglühen, das sogenannte Tempern, wichtig.

Durch Einsatz einer kugeligen Hammerform ist das Blech anfangs noch sehr „buckelig“. Deshalb muss das Blech anschließend mit einem weichen Aluminiumhammer geglättet werden. Dieses Verfahren bezeichnet man als „Schlichten“: Mit leichten Schlägen wird das Blech wieder konzentrisch geklopft.

Aber auch hier dehnt sich das Material wieder etwas aus. Das sollte bereits vorher bedacht werden, um im Endergebnis die gewünschte Form zu erzielen. Wie stark sich das Material schließlich ausgedehnt hat, sieht man im Vergleich zur flachen Ausgangsform.

Das Aufziehen kann aber auch in umgedrehter Arbeitsweise erfolgen. Dabei dient ein abgerundeter Amboss als Unterlage, und das Blech wird mit einem flachen Hammer über diese Rundung getrieben. Auch hier ist die ringförmige Vorgehensweise wichtig, um eine gleichmäßige Wölbung zu erreichen.

Die Klopfspuren des Aufziehens können mit einem Aluminiumhammer geglättet werden. Die Technik des Aufziehens ist übrigens auch die Basis eines Glättehammers. Ein schwingender abgerundeter Stößel treibt das Blech über einen abgeflachten Stößel. Dabei wird das Blech entsprechend aufgezogen und geglättet.

Das Tempern des Blechs

Durch Einziehen und Schweifen wird das Blech sehr gedehnt. Man muss sich dazu die Blechstruktur vor Augen führen. Die Gitterstruktur des Blechs, vorstellbar wie viele miteinander verknüpfte Kugeln, wird mit jedem Hammerschlag auseinandergedehnt. Die Struktur steht irgendwann kurz vor dem Brechen.

Diese Gefahr des Materialbruchs wird durch das Tempern verhindert, das die Struktur löst und in eine dem Ursprung ähnliche Gitterstruktur zurückverwandelt. Was sich verändert, ist allerdings die Blechstärke, die natürlich durch das Einziehen wesentlich dünner ist als die ursprüngliche Ausgangsblechstärke.

Beim Tempern wird das Metall ausgeglüht. Um zu erkennen, wann der notwendige Hitzegrad erreicht ist, wird das Blech zuerst mit einer weichen, züngelnden Azetylen-Flamme verrußt. Mit einer heißen, scharfen Flamme, also durch Zugabe von Sauerstoff, kann dieser Ruß wieder entfernt werden.

Der Ruß dient als Indikator für die richtige Hitzebildung des Metalls, denn das Blech soll nicht beginnen, rot zu glühen. Sobald der Ruß verschwindet, ist das Blech genügend erhitzt. Man nennt dieses Verfahren daher auch in der Fachsprache „Blauglühen“. Durch das Tempern ist das Blech wieder stabilisiert, und die nächsten Arbeitsschritte können nun durchgeführt werden.

Runde Hohlformen

Tropfenförmige Auswölbungen werden etwa auf der Motorhaube verwendet, um Platz für den Vergaser zu schaffen. Eine solche Hutze ist auch ohne aufwendige Werkstattausrüstung formbar. Als Erstes müssen zwei Bretter als Klopfschablone ausgeschnitten werden. Ein Loch für das Stichsägenblatt wird zunächst vorgebohrt. Nun kann mit einer Stichsäge der Grundriss der Hutze ausgeschnitten werden. Als Stichsäge verwenden wir in unserer Werkstatt eine kraftvolle Akkustichsäge von Festool.

Die Form wird gleichzeitig aus beiden Holzbrettern ausgeschnitten. Sind die Klopfschablonen fertig, wird das Blech zwischen die beiden Schablonen gelegt und mit Schraubzwingen verspannt. Jetzt kann mit einem Klopfhammer die Form in das Blech geklopft werden. Man beginnt damit, die Form grob in das Blech zu klopfen. Die Form soll sich zur engen Stelle auch in der Höhe verjüngen. Daher wird an dieser Stelle das Material weniger getrieben.

Je mehr das Blech geklopft wird, desto höher muss die Klopfschablone liegen. Eventuell muss die Klopfschablone noch etwas erhöht werden. Ist die Form in etwa erreicht, werden die Ränder des Blechs entlang der Schablone gekantet. Zu guter Letzt wird mit leichten Schlägen das Blech mit dem runden Klopfhammer geglättet. Die letzten Feinheiten werden mit einem Kunststoffhammer an einem T-Stück geglättet, um als Ergebnis eine perfekt geformte Hutze in Tropfenform zu erhalten.

Konkave und konvexe Formen

Konkave oder konvexe Karosserieformen scheinen sehr schwierig in der Nachfertigung. Doch auch solche Formen können mit etwas Erfahrung aus einem Flachblech durchaus selber hergestellt werden. Die konkave oder konvexe Wölbung entsteht durch einfaches Strecken des Materials. Nur darf nicht das gesamte Blech gestreckt werden. Das Flachblech wird in drei Zonen aufgeteilt: einen Mittelstreifen und zwei Randbereiche. Nur die Randbereiche werden bearbeitet.

Der richtige Einsatz des Hammers macht’s

Auf der gewölbten Form eines Fäustlings wird das Blech mit einem schweren Hammer getrieben. Das Treiben erfolgt vom Rand aus und wird nach innen hin fortgesetzt. Zwischendurch wird die Seite gewechselt. Wichtig ist, darauf zu achten, dass immer die gleiche Seite des Blechs mit dem Hammer gestreckt wird.

Das Material dehnt sich am Rand aufgrund des Streckens aus und bleibt in dem unbearbeiteten Bereich ungestreckt. Dies führt automatisch zu einer konkaven und konvexen Wölbung. Anders verhält sich das Blech, wenn nur der mittlere Streifen getrieben wird. Hier dehnt sich das Blech nur in der Mitte aus und bildet eine einfache Wölbung. Mit diesem Basiswissen über die einzelnen Rundungstechniken lassen sich nun auch komplexere Formen aus Blech umformen.

TEXT und FOTOS: Kay MacKenneth