Heinkel Kabine und Zündapp Janus
Auf den ersten Blick scheint die Heinkel Kabine der Isetta sehr ähnlich. Der größte Unterschied ist die Lenksäule, die nicht mit der Tür nach vorne kippt.
Die Motorisierungswelle nach dem Zweiten Weltkrieg hat eine ganze Reihe außergewöhnlicher Kreationen hervorgebracht, die mitunter ausgesprochen kreative Vorstellungen ihrer Hersteller offenbarten. Nicht allen von ihnen war langfristiger Erfolg beschieden, und vielen von ihnen ist gemein, dass es sich heute um echte Raritäten fast vergessener Marken handelt.
Eine besondere Stellung nahmen auf den Straßen im Nachkriegsdeutschland Kleinstwagen ein. Im Wirtschaftswunder erlangte der fahrbare Untersatz schnell seinen Statuswert. Doch das blecherne Dach über dem Kopf war immer noch nicht für alle in Gestalt beispielsweise eines Käfers erschwinglich.
Mangelware Führerschein
Zudem war der Pkw-Führerschein nicht, wie heute üblich, Allgemeingut. Mit einem vor 1955 erworbenen Motorradführerschein der Klasse 4 durften jedoch Fahrzeuge unter 250 Kubikzentimeter Hubraum im Straßenverkehr bewegt werden. Weil es außerdem eine steuerliche Hürde bei 200 Kubikzentimetern gab, blieben die meisten Hersteller unter dieser Grenze. Viele nutzten einfache und preiswerte Zweitaktmotörchen der Motorradindustrie für ihre Kleinstmobile.
Die Mannigfaltigkeit der aus heutiger Sicht oft mehr oder weniger skurrilen Vehikel ist kaum überschaubar, aber einen ganz speziellen Typ stellten die Fronttürer dar. Hierzulande gilt die BMW Isetta als Ideengeber und Vorreiter dieser Gruppe. Sie kam im Jahre 1954 in italienischer Lizenz über die Alpen und erreichte als einziges Fahrzeug dieser Gattung größere und bis heute andauernde Popularität. Doch sie war nicht allein auf den Straßen der 50er-Jahre.
Luftikus: Heinkel Kabine
Die Heinkel Kabine ist der Isetta auf den ersten Blick in der Tat zum Verwechseln ähnlich. Das sah man auch in München so und war bereit, einen Patentstreit auszutragen. Offensichtlich betraf der Schutz aber in erster Linie die mechanische Funktion, die beim Öffnen der Tür die Lenkstange und das Lenkrad mit nach vorne schwenken ließ, um den Einstieg zu erleichtern.
Nach einem Vergleich mit BMW (oder besser dem italienischen Lizenzgeber) verzichtete man bei Heinkel darauf, sodass sich der Fahrer um die Lenkung herum auf den Sitz schwingen musste, was den bequemen Einstieg ein wenig schmälerte. Bei näherem Hinsehen zeigte Heinkel aber, dass es sich um weit mehr als eine einfache Kopie handelte.
Die lang gestreckte, fast elegante Karosserie war sogar für vier Personen zugelassen, auch wenn sich das faktisch natürlich auf die Mitnahme von Kindern beschränkte. Die ursprünglich in Warnemünde in Mecklenburg gegründeten Heinkel-Werke hatten mit dem Flugzeugbau vor und während des Krieges Berühmtheit erlangt. Nach der Neugründung in Stuttgart widmete sich die Firma dem Motorenbau und fertigte bald mit dem Heinkel Tourist einen der erfolgreichsten Motorroller des deutschen Wirtschaftwunders.
Von ihm war nicht nur der 175 Kubikzentimeter-Einzylinder für die Kabine entlehnt, der Zusammenhang erklärt auch exemplarisch, warum Vertreter dieses Kleinstwagensegments hierzulande auch als Rollermobile bezeichnet wurden. Das zunächst ausschließlich dreirädrige Fahrzeug (Typ 150/153) erschien 1956. Vom gebläsegekühlten Einzylinder-ohv-Viertaktmotor wurde die Kraft über ein Vierganggetriebe und eine gekapselte Kette – die gleichzeitig als Schwinge fungierte – an das einzelne Hinterrad weiterleitet. Beim noch im selben Jahr lancierten Typ 154 mit vier Rädern blieb man bei diesem Prinzip, zumal die hintere Spur von nur 220 Millimetern ein Differenzial überflüssig machte.
In Deutschland rüstete Heinkel den 154 zunächst mit einer auf 204 Kubikzentimeter vergrößerten Maschine aus, die in einigen Exportmärkten wie Großbritannien (hierhin vergrößerten Maschine aus, die in Exportmärkten wie Großbritannien (hierhin ging fast die halbe Produktion) oder Österreich in den Typ 153 eingebaut wurde, weil hier steuerliche Bestimmungen spezielle Regelungen für dreirädige Vehikel vorsahen.
Für den heimischen Verkauf wurde 1957 der Hubraum des Motors wieder um fünf Kubikzentimeter reduziert, um unter die 200 Kubikzentimeter-Schwelle zu kommen. Die Fahrleistungen konnten sich für die damaligen Verhältnisse durchaus sehen lassen. Da der Heinkel an die 100 Kilogramm weniger als eine Isetta auf die Waage brachte, verfügte er über ein deutlich günstigeres Leistungsgewicht.
Während in Bayern auf einem Stahlrahmen aufgebaut wurde, griff man in Stuttgart auf Strukturen aus dem Flugzeugbau zurück und überzog ein Rohrgestell mit einer mittragenden Blechkarosserie. Diese Leichtbaukonstruktion und auch die Fensteraufteilung erinnert unzweifelhaft an eine Flugzeugkanzel und offenbart schon nach außen, aus welchem Stall die Ingenieure kamen.
Die großen Fenster machten den Heinkel sehr übersichtlich, hatten aber gleichzeitig den Nachteil, den Innenraum in der Sonne stark aufzuheizen. Zur Abhilfe verfügte das Fahrzeug serienmäßig über ein großzügig dimensioniertes Klappdach, über dessen Öffnung bei einem Unfall mit verklemmter Tür zudem die Insassen geborgen werden konnten.
Die Scheiben – bis auf die Front allesamt aus Kunststoff – wurden im Werk individuell an jede Karosserie angepasst, weshalb Scheiben von anderen Fahrzeugen zumeist nicht passen. Da auf Dämmmaterial weitgehend verzichtet worden war, ist jede Fahrt mit einem infernalischen Lärm verbunden.
Für heutige Begriffe mutet es abenteuerlich an, dass die hydraulische Fußbremse nur auf die Vorderräder wirkt. Dennoch waren die Heinkel-Kabinenroller durchaus ein Erfolg und ernteten schon aufgrund ihrer Fahrleistungen meist positive Bewertungen in der zeitgenössischen Motorpresse. In nur drei Jahren bis 1958 wurden allein im Montagewerk Speyer fast 12.000 Exemplare gefertigt, bis die Fertigung als unrentabel eingestuft und aufgegeben wurde.
Bis 1961 kamen noch etwa 2.000 Exemplare in Argentinien dazu, die deutschen Produktionsanlagen wurden nach Irland verlegt und gelangten schließlich von dort an die britische Firma Trojan, wo noch bis 1964 Kabinenroller gebaut wurden.
Allein in Irland sollen noch etwa 6.500 Kabinen entstanden sein, in England 6.100. Die Käufer hatten alle Rechte, Pläne und dergleichen übernommen, sodass es sich eigentlich nicht mehr um ein Heinkelprodukt handelte. Vorher wurden die Kabinenroller noch mit Motor und Vorderachse aus deutscher Produktion ausgestattet.
Zweitürer: Zündapp Janus
Auch bei Zündapp hatte man scheinbar ein Münchner Vorbild, auch wenn der BMW 600 als vierrädriger Fronttürer im selben Jahr 1957 auf den deutschen Markt kam und nicht mit dem wichtigsten Merkmal des Janus aufwarten konnte. Das einzigartige Rollermobil mit der Typbezeichnung des doppelköpfigen römischen Gottes hatte nicht nur vorne und hinten gleiche Türen, die Sitzreihen waren zudem Rücken an Rücken angeordnet.
Dadurch schauten die Fondpassagiere nach hinten. Dies hatte den Vorteil, das alle eine Passagiere üppige Bein- und Kopffreiheit weit über dem üblichen Kleinstwagenniveau genossen, diese ungewöhnliche Perspektive war allerdings nicht jedermanns Sache. Weil die Sitzbänke umklappbar waren, konnte der Innenraum voll ausgenutzt werden. Für den Transport sperriger Güter oder den Campingurlaub erfreute sich der Janus daher besonderer Beliebtheit.
Der konstruktionsbedingt zwischen den Sitzreihen angeordnete Mittelmotor schuf eine ausgewogene Gewichtsverteilung, war aber gleichzeitig verantwortlich für eine hohe Geräuschentwicklung im Innenraum. Die firmeneigene Werbung pries, dass so auch kleinere Wartungsarbeiten am Motor unter dem Schutz des eigenen Dachs ausgeführt werden konnten.
In der Praxis bedeutete dies aber oft, dass dafür der halbe Innenraum ausgeräumt werden musste. Und auch wenn das Fahrzeug mit technischen Errungenschaften wie einer hydraulischen Vierradbremse und Einzelradaufhängung aller Räder ein sehr gutes Fahrverhalten mit wenig Seitenneigung aufweisen konnte, war das Einzylinder-Zweitaktmaschinchen mit seinen 250 Kubikzentimeter Hubraum schlicht nicht ausreichend dimensioniert.
Man war sich in Nürnberg durchaus darüber im Klaren und plante den Einbau von wasser- oder luftgekühlten Motoren mit 500 und 600 Kubikzentimetern. Es wurden sogar schon Versuchsfahrzeuge gebaut, die immerhin 22 PS aus einem eigenen Zweizylinder-Viertakt-Boxer holten.
Mit den größeren Aggregaten hätte man jedoch die Grenzen hinsichtlich der Besteuerung sowie der Führerscheinklasse überschritten und so die wesentlichen finanziellen Anreize gegenüber „echten“ Autos verloren. Ende der 50er-Jahre waren die Preisvorteile bei vielen Kleinstwagen gegenüber den Fahrzeugen der unteren Mittelklasse wie dem Goggomobil so geschrumpft, das sie immer weniger als Kaufargument nutzten.
So wurde auch der Zündapp Janus nur eineinhalb Jahre, von Mitte 1957 bis Ende 1958, gebaut. Immerhin entstanden in dieser kurzen Zeitspanne 6.902 Exemplare.
Ähnlich wie beim Heinkel ging auch die Konstruktion des Janus auf einen Prototyp eines vormaligen Flugzeugherstellers – auf den Dornier Delta – zurück, an dem Zündapp die Produktionslizenz erworben hatte, und wie Heinkel versuchten auch die Zündapp-Werke, dem Niedergang des Motorradgeschäfts mit diesem Fahrzeug entgegen zu wirken. Beide waren letztlich nicht wirklich erfolgreich, schufen dafür aber heute gerngesehene Raritäten.
Fronttürpionier: Meyra 200
Auch wenn sich die Schöpfer von Janus und Kabine scheinbar an den Ideen des Platzhirsches aus München orientierten, waren es bemerkenswerterweise nicht die BMW-Werke, denen der Ruhm des ersten Fronttürers aus deutscher Produktion gebührte. Der westfälische Krankenfahrstuhlproduzent Wilhelm Meyer brachte schon 1953 seinen Meyra 200 heraus, von dem in zwei Versionen in knapp vier Jahren etwas mehr als 200 Exemplare hergestellt wurden. Bei dem Dreirad wurde nur der rechte Teil der Steilfront als Einstieg geöffnet. Leider gilt das Modell heute vollständig als verschollen. Auch Fotografien existieren offenbar nicht mehr.