Leserauto Matthias Brunke und sein „Nobel-Benz“

Benz mit Geschichte: Der 300d „Adenauer“

Matthias Brunke fährt seit über 20 Jahren Mercedes, darunter auch einen 450 SLC 5.0. Vor drei Jahren hat er sich mit einem 300d „Adenauer“ einen langjährigen Wunsch erfüllt. Aber Brunke hat noch andere Autoträume!

 
Mercedesfan mit Nummernfaible - Matthias Brunke und sein AdenauerFotos: J.M. Neuhaus, Matthias Brunke © Jörn-M. Müller-Neuhaus
Mercedesfan mit Nummernfaible - Matthias Brunke und sein Adenauer

Der Augsburger fuhr 1993 das erste Mal den 300er eines Freundes, der ihn als Hochzeitsauto einsetzte. Seitdem träumte er vom eigenen „Adenauer“. Nach dieser Fahrt hatte er die Wahl, den Abend mit der Schwester seines Freundes zu verbringen oder den 300er nach München zu fahren: Er fuhr mit dem Auto nach München, die Schwester musste warten. Sie war nicht nachtragend, denn trotzdem waren beide etwas später noch ein paar Jahre lang zusammen!

Sein eigener 300d, den Brunke vor drei Jahren mit nur 93.000 belegten Kilometern auf dem Tacho bei einem Berliner Oldtimerhändler fand, hat eine spannende Geschichte. Der Wagen wurde 1958 als Neuwagen von Anny Arnecke, der Besitzerin eines alteingesessen Berliner Modehauses erworben. Da die damals 65-Jährige keinen Führerschein besaß, ließ sie sich grundsätzlich von einem Chauffeur fahren. Anfang der 70er-Jahre wurde das Modehaus verkauft, Frau Arnec­ke zog um nach Konstanz und hatte fortan zwar einen großen Mercedes, aber keinen Chauffeur mehr, weshalb der Wagen kaum noch bewegt wurde. Nach ihrem Tode 19

Der Zweitbesitzer war ein Oldenburger Baustoffhändler, der den Wagen bis zu seinem Tode fuhr. Dessen Erben wiederum stellten den in Ehren ergrauten Oldie beim selben Berliner Oldtimerhändler erneut zum Verkauf ein, wo ihn Matthias Brunke dann 2007 fand. Er ist damit erst der dritte Besitzer dieses seltenen Wirtschaftswunder-Prunk­stückes im Originalzustand!

Schmuckstück mit Patina

Der Wagen ist unrestauriert und trägt seine Patina mit Stolz und Würde. Technisch ist er hingegen wie ein Junger. Das beweist die Probefahrt, bei der nichts klappert oder wackelt. Der 3-Liter-Sechszylinder mit Einspritzanlage und damals üppigen 160 PS bewegt die knapp zwei Tonnen schwere Limousine fast lautlos und erstaunlich behende vorwärts, die Automatik schaltet kaum spürbar: Auch heute ist der alte Luxus-Benz ein herrliches Reiseauto, mit dem man, wie Brunke erzählt, problemlos und entspannt auch Dauergeschwindigkeiten von 150 Stundenkilometern fahren kann.

Dabei fühlt man sich im Inneren wie in einem behaglichen, großbürgerlichen Wohnzimmer, ist umgeben von massivem, wenn auch mittlerweile leicht patiniertem Holz, duftendem Leder, den im Armaturenbrett verteilten, verchromten Bedienelementen und einem imposanten elfenbeinfarbenen Lenkrad mit verchromten Hup- und Blinkring. Alleine der unter dem Armaturenbrett platzierte vollverchromte, großzügig bemessene Aschenbecher, der bei Bedarf nach vorne geklappt wird, und die Schalter der Heizung wirken wie aus dem Vollen gefräst.

Stolz demonstriert Brunke auch die Spezialität des 300d, die herausnehmbaren hinteren Eckfenster. Da bei heruntergekurbelten Seitenscheiben keine B- und C-Säulen den Ausblick stören, entsteht so eine pfostenlose „Hardtop-Limousine“, worauf Mercedes in seinen Werbeprospekten mit Stolz hinwies.

Dass Brunke sich wohl fühlt in seinem Schmuckstück, zeigt die Tatsache, dass er in drei Jahren mittlerweile gut 10.000 Kilometer zurückgelegt hat, davon alleine im letzten Herbst 2.000 Kilometer auf einer längeren Deutschland-Tour.

Und er plant noch weitere längere Reisen mit seinem Adenauer: Derzeit sucht Brunke noch eine Anhängerkupplung für den Nobel-Daimler. Den dazu passenden Wohnanhänger, einen Westfalia 400/4, Baujahr 1958, besitzt er schon! Das findet er schon deshalb unwiderstehlich, weil der Anhänger am 6. Mai 1958 zugelassen wurde, ganze zwei Monate nach dem Mercedes, der am 4. März 1958 seinen ersten Eintrag in den immer noch vorhandenen Originalbrief erhielt. Der immerhin 4,76 Meter lange Wellblech-Anhänger bietet Platz für vier Erwachsene und wurde 1958 zum stolzen Preis von 9.795 D-Mark angeboten. Dafür gab es seinerzeit zwei VW Käfer!!

Neben den unbestreitbaren technischen und optischen Qualitäten des „Adenauer“ schätzt Brunke auch die positiven Reaktionen praktisch aller Verkehrsteilnehmer und Fußgänger auf den barocken Oberklasse-Benz: „Die Leute freuen sich, das Auto auf der Straße zu sehen.“ Das einem soviel positive Resonanz entgegenschlägt, hat den Augsburger anfangs wirklich überrascht. „Bei einem neuen Porsche wäre diese klassenlose Freunde wahrscheinlich nicht so ausgeprägt“, vermutet er wohl nicht zu Unrecht.

Diese Behauptung bestätigt sich während unserer Probefahrt, als Brunke mitten auf der Straße in der Augsburger Altstadt stoppt, um einen Freund einsteigen zu lassen, den er dann nach Hause fährt: Niemand hinter dem großen Benz hupt, keiner beschwert sich über das plötzliche Verkehrshindernis!

Anziehende Gegensätze

Brunke ist durchaus nicht auf Mercedes abonniert, sein Herz schlägt für viele Fahrzeuge aus den 50er- und 60er-Jahren. So besitzt er noch einen stark umgebauten VW Käfer Ostermann Speedster, einen Mercedes-Benz 450 SLC 5.0, einen rechtsgelenkten Strich/8 in Zitronengelb und ein Mercedes T-Modell. Als Kontrast besitzt er seit kurzem auch einen DAF 33 mit erst 26.000 Kilometern. Solch einen Wagen besaß der junge Brunke vor etwa 20 Jahren. Dass er ihn damals verkaufte, wurmt ihn bis heute. Er musste lange suchen, um diese Lücke in seiner Sammlung wieder schließen zu können!

Und auch vor echten Herausforderungen schreckt der Augsburger nicht zurück. Das beweist seine letzte Errungenschaft: Ein Tempo Matador mit Bundes­grenzschutzaufbau in bemitleidenswertem Zustand. Die bevorstehende Restaurierung des mit einem 1,6-Liter-Austin-Vierzylinder bestückten „Truppen-Kraft-Instand­setzungs­wagen“ ist für den handwerklich begabten Unternehmer zwar eine Herausforderung, aber kein Problem, wie er lächend bestätigt.

Nummern- und Zahlenspiele

Eine sympathische Marotte kommt im Laufe des Gespräches heraus: Brunke legt viel Wert auf das „richtige“ Datum: Sein 300d wurde am 4. März1958 zugelassen, der Westfalia-Wohnanhänger am 6. Mai 58. Die Zulassung auf seinen Namen erfolgte am 14. Juni, seinem Geburtstag.

Der DAF wurde am Geburtstag seines Neffen zugelassen. Vor 20 Jahren besaß Brunke einen Porsche 911, der am Tag des Mauerfalls, am 9.11.1989 die Zulassung erhielt und der 450 SLC wurde am 20. Jahrestag des Mauerfalles, dem 9.11.2009 wieder zugelassen! Da wundert es auch nicht mehr, dass sein Autoanhänger das Kennzeichen A-ID 911 besitzt. AID ist englisch und heißt „Hilfe“.

TEXT: Jorn Müller-Neuhaus, FOTOS: J.M. Neuhaus, Matthias Brunke
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