Vergessene Marken & Typen

Goliath GP 700 Cabriolimousine: Zu Unrecht vergessener Kleinwagen

Als Goliath 1950 den GP 700 präsentiert, zählt er zu den modernsten Fahrzeugen. Frederik E. Scherer stellt Ihnen in unserer Serie: "Vergessene Marken & Typen", den kleinen Riesen vor.

 
Goliath GP 700 Cabriolimousine: Zu Unrecht vergessener Kleinwagen © Frederik E. Scherer
Goliath GP 700 Cabriolimousine: Zu Unrecht vergessener Kleinwagen

Der Name war schuld: „Der Goliath ist ein wohl geratenes Automobil, viel besser als sein Name. Unverständlich, warum dieser dreirad- und zweitaktbelastete Name einem Fahrzeug anhängen bleibt, das so gar keine Ähnlichkeit mit seinen Vorfahren hat.“ Als die Kölnische Rundschau dies schrieb, war das Schicksal des neuesten Zöglings der ältesten Marke aus der Borgward-Familie schon besiegelt.

Das anrüchige Nutzfahrzeugimage wollte eben nie so recht neben die schöne Isabella passen. „Heute noch kann es passieren, dass man dich auf Borgward-Treffen freundlichst bittet, deinen Goliath etwas abseits zu parken“, sagt René Weißhaupt, Besitzer des 1952er GP 700. 

„Dabei ist mein Auto sogar die letzte fahrbereite CabrioLimousine Europas, und die anderen Typen sind auch selten genug …“ Ein Schicksal mit Langzeitwirkung, und dabei hat das Bremer Nachkriegskind durchaus seine Qualitäten.

Carl F. W. Borgward hatte in den 20er-Jahren seinen Erfolg mit Lastendreirädern begründet. Deren Nutzlast fiel so groß und kräftig aus, dass er sie ab 1926 „Goliath“ taufte. 1931 kam mit dem dreirädrigen Minimalmobil „Pionier“ auch der erste Goliath-Personenwagen auf den Markt, der einen Einzylinder-Zweitaktmotor besaß und sich von 1931 bis 1934 über 4.000 Mal verkaufte.

Doch mit dem Krieg kam die Rüstungsproduk­tion, und ab 1948 rollten zunächst nur wieder die bekannten Kleintransporter mit drei Rädern aus dem Bremer Werk. Doch Carl Borgward hatte, so sagt die Legende, während seiner Internierungszeit nicht geschlafen. Nach dem 1949 vorgestellten Hansa 1500 erschien im März 1950 der Goliath GP 700 auf dem noblen Parkett des Genfer Salons – auch er mit der so modernen, vom Hansa her bekannten Pontonform, jedoch deutlich kleiner als dieser.

Das war’s dann aber auch mit der Ähnlichkeit, denn nicht umsonst musste der GP 700 ein Goliath sein. Wo der dicke Hansa mit vier Zylindern in vier Takten klotzte, kleckerte der kleine Riese nur mit einem schüchternen Zweizylinder-Zweitakt­motor.

Bewährte Vorkriegstechnik

Dass jener samt Frontantrieb stark an DKW-Konfek­tionsware aus Vorkriegstagen erinnerte, war kein Zufall: Die Antriebseinheit wurde in Borgwards Auftrag von der INKA (Ingenieur-Konstruktions-Arbeitsgemeinschaft) entwickelt, deren Team fast vollständig aus ehemaligen Zschopauer Ingenieuren bestand. Und die waren wohl mit einem guten Gedächtnis gesegnet ...

 24 PS holte der kompakte Motor bei 4.000 U/min aus 688 Kubikzentimetern und trieb das Auto per bewährtem Frontantrieb auf etwas mehr als 100 Kilometer Höchstgeschwindigkeit pro Stunde. Im Flachland wohlgemerkt. An jedem Berg stemmte sich der kleine Zweizylinder hilflos gegen die schwere Karosserie und machte das Missverhältnis von Optik zu Leistung spürbar.

Mit 5 PS mehr ging der GP 700 E als einer der ersten Pkw mit Benzineinspritzung ab 1952 in die Geschichte ein, bald wurde ihm auch noch eine Variante mit 900 Kubikzentimetern Hubraum zur Seite gestellt. Doch die Einspritztechnik war noch nicht ausgereift und machte mit ständiger Dampfblasenbildung Ärger – was man zwar schnell in den Griff, aber dann nicht mehr aus den Köpfen der Leute heraus bekam.

Beim Fahrwerk blieb man bewährten Lösungen treu, mit zwei Querblattfedern vorne sowie Starrachse und Halbelliptik-Längsblattfedern hinten. Das Ensemble hat, wie Besitzer Weißhaupt sagt, „die Stabilität eines 12-Tonners“ – noch eine Goliath-­Stärke. „Man darf nicht vergessen, dass die meisten damals als neu präsentierten Automobile technisch noch aus den 30er-Jahren stammten.

Die Auto Union kam mit dem ähnlich angetriebenen F89 übrigens erst zwei Monate später auf den Markt“, ergänzt er. „Durch die kompakte Technik und die großzügige Karosserie ist der Goliath außerdem sehr schrauberfreundlich. An alle wichtigen Bauteile kommt man jederzeit ran. Bei guter Wartung braucht man die Haube aber eigentlich nur noch zum Tanken öffnen. Zum Problem kann höchstens die Thermosyphon-Kühlung werden, die im Stop-and-go-Verkehr die Hitze nicht los wird.“

Preisfragen und Fahrfreuden

Die Kundschaft hatte allerdings meist nur eine Sorge: den Preis. Während der GP 700 1950 mit 6.420 DM zu Buche schlug, kostete ein Exportkäfer nur 5.150 DM – und trug kein „lasterhaftes“ Image mit sich herum. Es verwundert daher kaum, dass unsere weiße Cabrio-Limousine einst einem Schweizer gehörte.

Sie befindet sich in unrestauriertem Originalzustand, zeigt ihre Macken mit Würde und verlangte neben geringen Blech­arbeiten (die einzigen beiden Hohlräume sind die Schweller) nur nach einer gründlichen technischen Instandsetzung. Old­timerfahrers Wunschtraum? Vielleicht. Goliath-Sammler Weißhaupt jedenfalls liebt es, am Drahtspeichenvolant seines Wagens die Eifel zu erkunden.

Schon ein zeitgenössischer Tester bemerkte: „Die ungewöhnliche Laufruhe und die sehr guten Fahreigenschaften des Wagens verführen natürlich dazu, ihn dauernd mit Vollgas laufen zu lassen.“ 

Und es stimmt, gerade bei hohen Drehzahlen macht der verlachte Motor bei aller Schmalbrüstigkeit nicht mehr Lärm als ein hysterischer Haartrockner. Wenn dann das Dach offen ist und das Haupthaar im Wind weht, vergisst man ihn fast ganz. Ein riesiger Spaß! Denn ist der Ruf erst ruiniert... 

Ein Blick ins Cockpit des GP 700

TEXT und FOTOS: Frederik E. Scherer
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