Restaurierungs-Tagebuch

Der lange Weg zum perfekten VW Käfer, Baujahr 1971

AUTO CLASSIC-Autorin Sabine Neumann hat ihren VW Käfer aus dem Jahr 1971 über einen Zeitraum von zehn Jahren in den Neuzustand versetzen lassen und öffnet ihr Restaurierungs-Tagebuch für uns.

 
Zehn Jahre Restaurierung: Gut Ding will Weile haben © Sabine Neumann
Zehn Jahre Restaurierung: Gut Ding will Weile haben

Als ich im Jahr 2000 meinen Käfer in der Werkstatt hatte, erwartete mich ein Schock: Der außen noch recht propere Käfer litt unter dem Lack unter schwerem Rostbefall. „Mein Auto soll ich verschrotten?”, fragte ich entsetzt Herrn Rudat, Inhaber meiner Oldtimerwerkstatt Rudat & Wollenberg in Wetter-Wengern, die mit viel Liebe im Ruhrtal alte „Schätzchen“ wieder aufpolieren.

„Ihnen bleibt wohl nichts anderes übrig, wenn Sie nicht restaurieren“, war seine klare Antwort, „die hinteren Kotflügel und Seitenteile rosten Ihnen einfach so weg, und der Unterboden sieht ziemlich mies aus. So kommen Sie nicht mehr durch den nächsten TÜV, zumal die Vorderachse komplett ersetzt werden muss.“ Verschrotten oder investieren war sein Rat.

Ich habe nicht lange überlegt und nicht lange gefackelt, viele Termine mit Rudat & Wollenberg ausgemacht und nach und nach in den vergangenen Jahren „Clementine“ rundherum restaurieren lassen, inklusive neuen Lacks. Nun sieht mein 39 Jahre altes Clementine-Mädchen wieder wie neu und frisch poliert aus. Kein Rostfleck weit und breit.

Doch bis dahin war es ein langer Weg für die Werkstatt und mich: „Frau Neumann, eine Komplettrestaurierung auf einen Schlag wäre für uns einfacher und für Sie preiswerter gewesen. So schrauben wir manche Teile wie Stoßstangen und Kotflügel dreimal ab und an.“ Jede müde Mark meiner journalistischen Tätigkeit habe ich seither in „Clementine“ inves­tiert.

Ich sorge für meinen Käfer wie eine Mutter für ihr Kind, denn ans Verschrotten habe ich nie gedacht. Mein VW Käfer 1200, Baujahr März 1971, 34 PS, wird heiß geliebt und gehört zur Familie.

Mein Glück: Der Käfer ist eine schrauberfreundliche Konstruktion. Die aufgeschraubte Karosserie sitzt auf einem Fahrgestell, das von einem Zentralrohr-Plattformrahmen gebildet wird. In diesem speziellen Rohr, man könnte es auch als das Rückgrat eines Käfers bezeichnen, befinden sich die Führungsrohre der verschiedenen Seilzüge für Kupplung, Vergaser, Heizklappen und Handbremse sowie die Kraftstoff- und Bremsleitungen.

Die Karosserie ist aus verschiedenen Teilstücken zusammengesetzt: Türen, Hauben, Trittbretter, Kotflügel, Stoßstangen sind abbaubar. Die Käfer-Karosserie kann man somit fast komplett auseinandernehmen und auch wieder zusammensetzen.

Februar 2001

Rechtzeitig vor dem nächsten TÜV-Termin wird eine gebrauchte, aber neuwertige Vorderachse eingebaut. Gleichzeitig gibt es neue Bremsbacken, links einen Wärmetauscher, Schweißarbeiten werden am Rahmenkopfdeckblech, an der Spritzwand vorn, am Batterieboden und an den Warmluftkanälen durchgeführt. Zur Belohnung bekommt der Käfer die begehrte TÜV-Plakette.

September 2004

Weiter geht es dreieinhalb Jahre später (ich musste erst noch fleißig sparen) mit dem hinteren linken Kotflügel und den Seitenteilen. „Eigentlich sehen die Kotflügel doch noch gar nicht so schlecht aus“, finde ich, „nur so ein bisschen Rost an den Übergängen.“ „Genau das ist das Problem“, betont Jörg Rudat, „der Rost hat sich unter dem Lack und PVC-Unterbodenschutz einfach weitergefressen.“<

Jörg Rudat klärt mich auf: „Die Karosserie ist nicht durch eine geschlossene und dichte Schweißnaht verbunden, sondern verschraubt, ebenso wie Kotflügel und Trittbretter. An der Unterseite kann sich der Rost unter dem Unterbodenschutz munter ausbreiten, ohne dass Sie davon etwas merken, geschweige denn sehen.

Spritzwasser setzt sich in winzigen altersbedingten Haarrissen unter dem PVC-Unterbodenschutz fest, kann nicht austrocknen: Rost. Dieser größte Feind aller Autobesitzer arbeitet sozusagen im Verborgenen.

So hatten sich auch bei meinem Käfer die typischen Stellen vor den Hinterkotflügeln, oberhalb des Trittbretts, verfärbt: die Farbe wurde mittlerweile blasig, platzte auf, und der Rost kam zum Vorschein! Die Durchrostung erfolgte hier auch von innen nach außen.

Eine Folge der „schlechten Verarbeitung“ meines Standard-Käfers. Ein ähnlicher Schaden war um die Kanten der Kotflügel, an der Unterkante der Türen und in der Ersatzradwanne entstanden.

Februar 2005

Nach der Rostbeseitigung bekommt Clementine zum Saisonstart 2005 ein neues Abschnittsseitenteil hinten rechts, einen neuen Kotflügel, dazu neue Seitenscheibendichtungen und neue Trittbretter, und natürlich Hohlraumwachs zur Versiegelung. Praktisch: Den Kotflügel kann man einfach abschrauben – sofern er nicht festgerostet ist!

Zuerst das betreffende Rad demontieren, dann die Stoßstange mit Haltern und Beleuchtungsteilen. Der neue, fachmännisch lackierte Kotflügel wird zuerst mit der Schraube in der Mitte oben locker befestigt, dann folgen die weiteren Schrauben und die Gummidichtung.

Der „Keder“, wie die Dichtung im Fachjargon heißt, wird zwischen Kotflügel und Karosserieseitenteil geschoben, die Schrauben werden unter Beachtung der richtigen Lage nacheinander angezogen. Der Keder muss wie aus einem Guss sitzen – keine „Wella-Form“. Zuletzt folgt die Trittbrett-Halteschraube. Stoßstange, Beleuchtung und Rad werden wieder angeschraubt. Fertig!

Aber: Beim Käfer sind die Schrauben der Trittbretter nach über 30 Salz-Wintern meist festgerostet, sodass man bei einer Demontage auf jeden Fall ein Rostlösemittel benutzen muss. Bei ganz hartnäckigen Fällen muss die Trennscheibe eingesetzt werden.

Um neuen Rost zu verhindern, sollte man die Trennfugen dick mit Unterbodenschutz übersprühen. Das An- und Abmontieren der Trittbretter geht im „Normalfall“ rucki, zucki: Zuerst werden die in den beiden Kotflügeln sitzenden Halteschrauben des betreffenden Trittbretts gelöst, danach folgen die vier Schrauben längs des Brettes. Der Einbau erfolgt dann in umgekehrter Reihenfolge.

Februar 2006

Mein Käfer bekommt einen neuen Tank, eine neue Frontschürze und eine neue Tankauflage. Auch hier muss wieder viel geschraubt werden – der Ablauf ist ähnlich wie bei den hinteren Kotflügeln.Der Tankinhalt eines VW Käfers 1200 umfasst exakt 41,5 Liter inklusive 5 Liter Reserve.

Natürlich haben sich im Laufe der Jahrzehnte Rost und Rückstände im Tankinneren gesammelt. Das führte hin  und wieder zu Verstopfungen des Tankauslaufs, und das soll jetzt endlich auch ein Ende haben.

Nach Herausnehmen der Kofferraumpappe und dem Lösen der Schlauchverbindungen zum Einfüllstutzen werden die vier Halteschrauben des Tanks demontiert und die zur Kraftstoffpumpe führende Leitung an der Tankunterseite getrennt. Der Tank lässt sich jetzt problemlos herausheben.

Beim Einbau wird darauf geachtet, dass die neue Dichtung zwischen Tank und Karosserie nicht verrutscht. Schutz- und Hohlraumwachs sollen erst mal den Rost für die nächsten Jahre fernhalten.

August 2006

Ich wähle fast immer die Sommermonate, da ich dann sowieso mit meiner Familie im Urlaub bin und die fleißigen Mannen von Rudat & Wollenberg ohne Zeitdruck arbeiten können. Jetzt sind die Türen an der Reihe. Beide auf einen Schlag, inklusive Dichtungen, Dämmmatten, Chromzierrahmen, Fensterfilz, Türfolie und neuer Lackierung.

Das ist mal wieder eine Menge Arbeit. Um diese den Fachleuten in der Werkstatt zu versüßen, habe ich selbst gebackenen Schokoladenkuchen mitgeliefert.

Zurück zu den Türen: Der Türfeststeller muss nach Ausbau des Lagerbolzens aus dem Lager in der Scharniersäule gezogen werden, dann werden zwei Kunststoffpfropfen aus der Scharniersäule herausgenommen und die Kreuzschlitz-schrauben an den Scharnieren gelöst. Beim Herausschrauben wird die Tür festgehalten und seitlich aus der Scharniersäule herausgehoben.

Beim Einbau der neuen Tür muss diese so eingepasst und festgeschraubt werden, dass der Spalt zum Türausschnitt überall gleich ist und die Blech­sicke oberhalb der Zierleiste mit jener in den Seitenteilen in gleicher Höhe liegt. Die Scharniere werden dann an die beweglichen Gewindeplatten angeschraubt, damit die Tür einwandfrei eingepasst werden kann.

Aufpassen: Dabei muss auch die Schließlatte an der B-Säule der Karosserie richtig eingestellt werden. Die Türscharniere bekommen zum guten Schluß einige Tröpfchen Öl. Ganz wichtig: Über den Türkästen unter der Innenverkleidung ist eine Folie mit dauerelastischem Klebstoff verbaut. Sie schützt die Papprückseite der Türverkleidung vor dem durch den Fensterschlitz eindringenden Regenwasser. Diese Folie darf nicht zerreißen. So haben mir die Werkstattleute den Arbeitsablauf beim Einbau „meiner“ Türen erklärt.

August 2007

Der Käfer bekommt endlich einen neuen Heckdeckel. Der Alte sah auch ziemlich zerbeult aus. Die Bürsten einer Autowaschanlage hatten ihre Visitenkarte hinterlassen, waren Jahre zuvor in der Abdeckung der Nummerschildbeleuchtung hängen geblieben und hatten diese nach oben gedrückt. Außer einem anderen Heckdeckel gibt es noch eine gebrauchte Nummernschildnase und eine neue Fronthaube.

Die Regenrinnen links und rechts werden ebenfalls entrostet, und Clementine erhält eine funkelnagelneue Frontscheibe aus Verbundglas. Ich kann jetzt auch im Dunkeln wieder richtig sehen! Kratzer und Mini-Steinschläge erzeugten bisher ein diffuses Licht. Der Gegenverkehr blendet mich jetzt nicht mehr – ein ungewohnt sicheres Gefühl.

Der Heckdeckel wird gründlich vorbereitet, grundiert und angepasst. Gleichzeitig schiebt man auch die rund um den Deckelausschnitt laufende Gummidichtlippe wieder in die Blechfalz. Der Einbau der Fronthaube ist nicht so einfach wie der des Heckdeckels. vJeder Deckel ist ein wenig „anders“ und erfordert mehr Justage und Anpassung, damit er wie „angegossen“ passt. Die neuen Front- und Heckdeckel werden anschließend lackiert und dann erst endgültig montiert. Im Zuge dessen soll es in der Lackiererei auch einen neuen Dachanstrich für den Käfer geben.

Dafür müssen die Front- und Heckscheiben aus- und wieder eingebaut werden. Dabei werden auch die Fensterdichtungen durch neue ersetzt.

Es gibt aber Probleme! Mein Clementine-Lack „L 20 D“ darf infolge zu hohem Bleigehalts nicht mehr ohne Sondergenehmigung verarbeitet werden. Das bedeutet lange Wartezeiten, da er extra angemischt werden muss. Dank der Sondergenehmigung (bei Oldtimer-Fahrzeugen, die diesen Lack bereits schon „drauf“ haben, darf er weiterverarbeitet werden) geht es dann endlich weiter.

Zwischenzeitlich habe ich mir ein spezielles Wachs (Meguiar`s Hi Tech Yellow Wax/Paste) zum Polieren meines Wagens zugelegt. Für den schönen neuen Lack. Zweimal im Jahr, nämlich im Frühling und im Herbst, wird mein Käfer bei schönem Wetter im Schatten rucki, zucki mit Wachs und Watte einpoliert und auch wieder abgerieben. Er glänzt und funkelt hinterher mehr als neu.

Fazit: Was lange währt, wird endlich gut

Sechs Jahre hat es gedauert, bis meine „Clementine“ außen wieder glänzend und rostfrei vor mir stand. In der nächs­ten AUTO CLASSIC sind der Kotflügel vorne links (2008) und als krönender Abschluss des Langzeitprojekts im Jahr 2010 ein komplettes, neues Bodenblech an der Reihe!     

TEXT und FOTOS: Sabine Neumann
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