Schritt für Schritt richtig verzinnen

Der Zinn des Lebens: So wird richtig verzinnt!

Verzinnen ist die hohe Kunst, ­eine Karosserie nach den Blecharbeiten optimal für die Lackierung vorzubereiten und vor Rost an Schweißstellen und Übergängen zu schützen. AUTO CLASSIC zeigt Schritt für Schritt, wie Sie richtig verzinnen.

 
Verzinnen ist die hohe Kunst, eine Karosserie nach den Blecharbeiten optimal für die Lackierung vorzubereiten und vor Rost an Schweißstellen und Übergängen zu schützen. © Kay MacKenneth, Jörn Müller-Neuhau
Verzinnen ist die hohe Kunst, eine Karosserie nach den Blecharbeiten optimal für die Lackierung vorzubereiten und vor Rost an Schweißstellen und Übergängen zu schützen.

Das Verzinnen von Karosserieblechen ist immer dann angebracht, wenn Stoßnähte nach dem Einsetzen von Ersatzblechen oder anderen Blecharbeiten leichte Unebenheiten in der Karosserie ausgeglichen und geglättet werden müssen. Es ist die älteste Technik im Karosseriebau, um solche Bereiche auszugleichen.

Im Idealfall wird auch bei einer Restauration verzinnt und am Ende nur noch minimal mit Polyesterspachtelmasse nachgearbeitet und final geglättet. Karosseriezinn ist – im Gegensatz zum Polyesterspachtel – sehr stabil. Bei richtiger Verarbeitung löst sich Karosseriezinn auch bei Schlägen, Erschütterungen oder Vibrationen nicht mehr vom Blech.

Bei mit Polyestermaterial gespachtelten Stellen wird schon mal das Blech wieder sichtbar, es gibt Risse in der Oberfläche oder die Spachtelschicht platzt ab, wenn darauf mechanische Kräfte wirken. Eine weitere Möglichkeit, Zinn sinnvoll einzusetzen, ist die Beschichtung von durch Rost porös gewordenem Blech, das mit Zinn geglättet und stabilisiert werden kann. Verzinnen hilft  aber auch beim Ausgleichen von Spaltmaßen.

Schritt eins: Die gründliche Reinigung

Das A und O für ein gutes Endergebnis ist die perfekte Vorbereitung. Zuerst kommt die gründliche Reinigung. Wird hier geschludert, hält später unter Umständen der Karosseriezinn nicht richtig und fällt nach einiger Zeit wieder ab.

Hier lohnt sich der Zeiteinsatz und die Arbeit bei der Vorbereitung. Oxidationsschichten, die nach Schweißarbeiten entstehen, Fett, das durch die bloße Berührung mit den Händen haften bleibt oder Silikon-Rückstände von Fahrzeugpflegemitteln müssen unbedingt entfernt werden.

Dazu nimmt man am besten eine rotierende Drahtbürste und reinigt damit das Blech und auch die Nähte. Verwenden Sie für angerostetes Blech eine flexible Schleifscheibe und entfernen Flugrost mit Feingefühl, bis das Blech blank geschliffen ist.

Hier ist Vorsicht geboten, denn ein zu starker Abtrag des Blechs kann dazu führen, dass das Material am Ende zu dünn ist und seine Stabilität verliert. Um ganz sicher zu gehen, reinigt man das blanke Blech zusätzlich mit etwas Silikonentferner. Sobald das Blech penibel gereinigt wurde, geht es an den ersten Schritt der Verzinnung.

Schritt zwei: Verzinnungspaste anwenden

Mit einem Pinsel trägt man Verzinnungspaste in dem Bereich auf, der anschließend verzinnt werden soll. Tipp: Die Paste sollte vorher umgerührt werden, denn nach einiger Standzeit hat sich der Zinn häufig am Boden abgesetzt. Die Verzinnungspaste dient als Bindemittel zwischen dem Blech und dem aufzutragenden Zinn.

Sie passiviert die Oberfläche des Stahlblechs, indem die Oxidschicht gebunden wird. Dadurch entsteht eine Schicht aus Zinn und Eisen. Dies ermöglicht dem Zinn, eine feste Bindung mit dem Blech einzugehen, da es sich mit der oxidreduzierten Zinnschicht bindet.

Die Verzinnungspaste besteht neben Bindemittel aus kleinen Zinnpartikeln, daher hat sie auch die typische dunkelgraue Farbe. Wenn die Paste aufgetragen wurde, wird sie mit einer Lötlampe oder einer weich eingestellten Autogen-Flamme erhitzt.

Wenn die Paste silbern glänzt, ist der richtige Punkt erreicht: Die Zinnpartikel in der Paste sind dann geschmolzen und mit einem feuchten Lappen – idealerweise aus weichem Baumwoll-Material – kann die erhitzte und noch weiche Zinnpaste vorsichtig verwischt werden. Es entsteht eine glänzende Fläche.

Jetzt ist der Zeitpunkt, um zu prüfen, ob das Blech vorher blank genug gesäubert war. Ein Indikator dafür, dass das nicht so war, sind Stellen, die beim Verwischen der erhitzten Paste dunkel bleiben. Ist das der Fall muss die Verzinnungspaste mit Wasser vollständig und gründlich abgewaschen werden.

Danach folgt nochmals die Prozedur der Vorarbeit mit Blechreinigung oder sanftem Abschleifen. Erst wenn die aufgetragene Verzinnungspaste nach dem Erhitzen einen gleichmäßigen Glanz zeigt, sollte mit dem eigentlichen Verzinnen begonnen werden.

Schritt drei: Zinn auftragen

Der Zinnstab wird mit dem Flammenrand so erhitzt, dass eine weiche homogene Masse entsteht, die sich auf dem Blech verteilen lässt. Verteilen Sie das Zinn so, dass sich am Ende genügend Material auf der zu verzinnenden Fläche befindet.

Achten Sie auf die Temperatur der Flamme. Sie darf nicht zu hoch sein, damit das Zinn immer seine pastöse Konsistenz behält – vergleichbar mit streichfähiger Butter. Die richtige Flammentemperatur liegt in etwa zwischen 180 und 250 Grad Celsius. Wenn das Zinn hart und brüchig bleibt, ist die Temperatur zu niedrig.

Ist es zu heiß, fließt das geschmolzene Zinn davon und kann nicht mehr in Form modelliert werden. Als ‚Arbeitsbereich‘ wählt man eine Größe von etwa fünf mal fünf Zentimetern. Das Blech muss stets gleichmäßig  erhitzt werden und die Temperatur sollte während des Arbeitsprozesses durchgehend zwischen 180 und 250 Grad Celsius gehalten werden. Nur so bleibt das aufgetragene Zinn bearbeitungsfähig.

Beim Erhitzen ist die Brennerhaltung von Bedeutung: Halten Sie die Flamme möglichst flach, damit sowohl das Blech wie auch das Zinn erhitzt werden. Dabei wird der Zinnstab konstant durch leichtes Drehen über das Blech geführt. Als Ergebnis bekommen Sie eine gleichmäßige Zinnraupe entlang der Schweißnaht.

Zinn ist nicht gerade billig und so schmerzt jeder Tropfen, der nicht am Blech haftet, sondern auf den Boden fällt. Mit etwa 50 Prozent „Schwund“ muss man allerdings auch dann rechnen, wenn man schon etwas Erfahrung mit diesem Material hat.

Schritt vier: Das Zinn verteilen

Das Ziel dieses Arbeitsschrittes ist noch nicht die endgültige Formgebung des Zinns, sondern nur das sorgfältige Verteilen auf dem Blech. Zunächst wird das aufgetragene Zinn, die „Zinn-Raupe“, erneut erhitzt. Mit einem Holzspachtel, der zuvor in geschmolzenem Bienenwachs oder Leinöl aus der Apotheke getränkt wurde, wird diese Raupe verteilt.

Gehen Sie dabei behutsam vor und achten Sie auf die Temperatur. In einem Wechselspiel aus Erhitzen und dem Zurückziehen der Flamme vom Zinn halten Sie das Material weich, während Sie mit dem Holzspachtel ans Verteilen gehen. Den Punkt, an dem das Zinn anfängt, nicht mehr bearbeitbar zu werden, erkennt man am stumpfen, leicht schuppigen Aussehen des Materials.

Durch vorsichtiges, erneutes Erhitzen wird das Zinn wieder weich genug für die Bearbeitung. Zwischendurch wird der Spachtel wiederholt in Bienenwachs oder Leinöl getränkt, um das Holz vor Verbrennen durch die Hitzeflamme zu schützen.

Diese Arbeitsschritte können an Blechteilen in waagerechten und in senkrechten Positionen durchgeführt werden. Achten Sie bei senkrechten Teilen darauf, dass Sie die Hitze von unten nach oben geben. Mit dem Verzinnen muss an senkrechten Karosseriebereichen immer von unten begonnen werden.

Damit dies richtig funktioniert, wählt man eine  flache Flamme. Die Schweißnaht wird durchgehend von unten nach oben mit Zinn besetzt. Da auch die Wärme nach oben steigt, ist das oben liegende Zinn beim Verstreichen bereits gut vorgewärmt und man muss nicht so viel Hitze zuführen, wie bei waagerechten Arbeitsstellen.

Schritt fünf: Zinn in Form bringen

Wenn die aufgetragene Zinnmasse gleichmäßig verteilt und abgekühlt ist, werden die verzinnten Stellen zunächst mit grobem Schleifpapier auf einem Schleifklotz, mit einer Schleifmaschine oder einer Karosseriefeile grob in Form gebracht. Das endgültige Anpassen an die Form der Blechpartie erfolgt dann entweder von Hand mit immer feiner werdendem Schleifpapier oder mit einer weichen Schleifscheibe und der Schleifmaschine.

Die manuelle Variante ist zwar zeitaufwendiger, hat aber den Vorteil, dass man nicht durch einen Fehler – wie das Abrutschen der Schleifmaschine – die Zinnschicht so stark beschädigt, dass man wieder von Neuem anfangen muss.

Um die endgültige Form zu erreichen wählt man für die Schleifmaschine oder den Schleifklotz ein 80er- oder 250er-Schleifpapier. Gehen Sie vorsichtig vor und lassen Sie den Schleifkörper nur leicht über das neu aufgebrachte Material gleiten. Besonders wichtig beim Schleifen ist das Tragen einer Atemmaske, da im Schleifstaub hochgiftige Partikel aus Blei frei gesetzt werden, die extrem gesundheitsschädlich sind!

Überlappende Bleche verzinnen?

Die uralte Technik des Verzinnens kann im Übrigen auch an überlappenden Karosserieteilen zum Einsatz kommen. Früher hielt man dies für falsch, weil säurehaltige Verzinnungspasten verwendet wurden, die die Bleche angreifen konnten. Heute gibt es nicht säurehaltige Verzinnungspasten, die somit unter dem Zinn auch keine Durchrostungen verursachen können.

Wer ganz auf Nummer sicher gehen möchte, kann überlappende Nähte vorsorglich vor dem Verzinnen mit einer sehr feinen Spritze mit Korrosionsschutz füllen. Die meisten Korrosionsschutz-Materialien auf Epoxy-Basis sind soweit hitzebeständig, dass sie die Temperaturen während des Verzinnens aushalten. Ist der Korrosionsschutz getrocknet, dichtet dieser die Naht soweit ab, dass keine Verzinnungspaste in die Naht eindringen kann.

Hier eine sehenswerte Anleitung:

TEXT UND FOTOS: Kay MacKenneth