Dreirad Rarität

Rollfix Rekord BJ 1933: Der letzte seiner Art?

Als Thomas Schäfer bei einer Grundstücksräumung ein Dreirad, ein Rollfix Rekord BJ 1933, ent­deckte, wollte er den vermeint­lichen Eigenbau nicht verschrotten lassen, später erkannte er, welche Rarität ihm da zugelaufen war.

 
Thomas Schäfers Rollfix Rekord, Baujahr 1933 © Bodo Wistinghausen
Thomas Schäfers Rollfix Rekord, Baujahr 1933

Mehr aus Mitleid nahm Thomas Schäfer aus Albrechts­hain bei Leipzig das völlig marode Wrack unter seine Fittiche. Als in seiner Nachbarschaft in dem kleinen Dorf wenige Jahre nach der Wende ein Nachlassgrundstück geräumt werden musste, nahm er sich des alten Dreirades an, das in der Garage stand.

Zunächst hielt er das skurrile Fahrzeug für einen Eigenbau. Er erinnerte sich noch daran, wie es in seiner Kindheit von Zeit zu Zeit über die Straßen rumpelte.

Er konnte die Geschichte dann noch so weit zurückverfolgen, dass der Wagen 1957 stillgelegt wurde und anschließend im Schuppen verschwand. Auch als sich Schäfer mit Bekannten kurz darauf seine für 200 DM erworbene Errungenschaft näher betrachtete, ahnte keiner, welche Sensation der Scheunenfund darstellen sollte.

Auf dem stark angelaufenen Typenschild war als Markenbezeichnung Rollfix zu erkennen. Thomas Schäfer: „Das sagte wirklich niemandem etwas.“

Wandsbeker Dreirad

Das war nicht verwunderlich, denn die Rollfix-Eilwagen GmbH in Wandsbek bei Hamburg baute nur etwa von 1933 bis 1936 dreirädrige Personenwagen. Diese Fahrzeuggattung erfreute sich seit Mitte der 20er-Jahre aufgrund steuerlicher Regelungen für Kleinfahrzeuge großer Beliebtheit, denn Vehikel mit weniger als vier Rädern und einem Hubraum unter 200 Kubikzentimetern waren führerschein- und steuerfrei.

Natürlich ent­wi­ckelte sich eine Klasse dreirädriger Autos, zunächst vornehmlich für den leichten Transportbereich in Handel und Gewerbe. Gleich reihenweise wurden Marken aus der Taufe gehoben.

Während Konkurrenten wie Tempo und Goliath mehrere Tausend Einheiten verkauften und später „richtige“ Automobile anboten, war der Erfolg der Rollfix-Kleinwagen wohl gering. Die Recherchen zu Beginn der 90er-Jahre gestalteten sich übersichtlich, weil es kaum Informationen gab.

Aus dem tatsächlich noch vorhandenen ersten Brief und der Frontplakette ergab sich, dass es sich bei dem zweisitzigen Coupé um das Modell Rekord handelte. Wie viele Exemplare davon hergestellt worden sind, konnte nicht mehr nachvollzogen werden, jedenfalls galt der Rekord schon seit Jahrzehnten als vollständig verschollen.

Schäfers Garagenfund hat die Fahrgestellnummer 3 und stammt aus dem Jahr 1933. „Eigentlich wollten wir da schon aufgeben“, erinnert sich der gelernte Maler und Lackierer, denn wie soll man ein Auto restaurieren, für das es wirklich nichts mehr gibt? Und das mit beschränktem Budget und den Fertigkeiten eines reinen Hobbybastlers.

Schwierige Restaurierung

Aber dann überzeugten die simple Konstruktion, sowie die Hilfe seines versierten Mitstreiters Hans-Joachim Kullig. Der massive Rahmen war in recht gutem Zustand, aber große Teile der Karosserie mussten neu hergestellt werden. Glücklicherweise taugten die originalen Metallteile noch als Blaupause für die Neuanfertigung.

Die Grundkonstruktion ist durchaus zeitgemäß für den Automobilbau der 30er-Jahre. Auf dem Rahmen ruht ein Holzboden, für den ebenso wie beim Fahrerhaus inklusive der Türen Buche und Fichte verwendet wurde. Die Schreinerarbeiten waren mithilfe eines Holzrestaurators noch vergleichsweise einfach zu bewerkstelligen.

Mehr Mühe machten die aus Blech gefertigten Karosserieteile. Im nicht zu öffnenden Vorbau ist nur der Fußraum für die Passagiere untergebracht. Glücklicherweise konnte ein altes Foto aufgetrieben werden, nach dessen Vorbild Teile vermessen und nachgebaut werden konnten, wie beispielsweise das Dach, das komplett fehlte.

Der Antrieb sitzt hinter der Kabine und treibt das einzelne Hinterrad an. Aus Kostengründen waren die Motoren oft zugekauft, und hier handelt es sich um einen luftgekühlten ILO-Motor mit 198 Kubikzentimetern Hubraum.

Die waren so häufig, dass auch heute noch Teile aufzutreiben sind. Mittlerweile infiziert vom Geist des Bewahrers der Historie seines Rollfix, weiß Thomas Schäfer zu berichten, dass die Motornummer zur Typplakette passt und es sich demnach tatsächlich um den ersten Motor handelt.

Die 5,5 PS werden mittels Kette, wie bei Motorrädern üblich, übertragen, und das das Getriebe verfügt neben drei Vorwärtsgängen auch über einen Rückwärtsgang. Für den Fahrkomfort ist das Hinterrad sogar schon gefedert, die Vorderachse verfügt gar über eine Einzelradaufhängung.

Hübsch langsam

Die Ladefähigkeit von 400 Kilogramm hält Schäfer für leicht übertrieben. „Selbst wenn ich allein im Wagen sitze, muss an Steigungen schon mal geschoben werden.“ Auf gerader Strecke erreicht der Rollfix 40 Stundenkilometer.

Aber das hat auch sein Gutes, denn für solche Fahrzeuge waren damals keine Instrumente vorgeschrieben, und was es nicht gibt, muss auch nicht restauriert werden. Entsprechend spartanisch ist der Innenraum. Erst 2007, nach einem halben Jahrhundert Stillstand und 15 Jahren Aufarbeitungszeit, konnte der Rollfix wieder zugelassen werden.

Der 60-Jährige fährt nicht ohne Stolz für das, was er als seine Lebensleistung ansieht, gerne auf Treffen. Dort ist der leuchtend grüne Zwerg ständig umringt von Neugierigen. „Ich kann gar nicht glauben, dass ich mir den Wagen damals fast hätte durch die Lappen gehen lassen“, erinnert sich der Sachse an die Anfänge der gemeinsamen Geschichte.

Wer hat schon ein mutmaßlich letztes Exemplar eines Modells in seinem Besitz – ohne dafür ein Vermögen ausgegeben zu haben.

TEXT: Bodo Wistinghausen, FOTOS: Bodo WistinghauseN
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