Der elegante Damen-Volkswagen Karmann-Ghia. Der „Erdbeerkörbchen“ genannte offene Ur-Golf. Und natürlich das ewige Käfer-Cabrio. Das ist es, was einem zum Namen Karmann einfällt. Der Kenner ergänzt, dass die Karosseriefabrik mit Sitz in Osnabrück auch den skurrilen „Volksporsche“ 914 fertigte, außerdem BMWs herrliche CS-Coupés der 70er-Jahre. Das war’s – glaubt man dem allgemeinen Wissensstand. „Für mehr Erkenntnisse sorgt die Bremen Classic Motorshow von Freitag bis Sonntag, 3. bis 5. Februar, in der Messe Bremen“, verspricht der Projektleiter Frank Ruge.
Nahezu unbekannt ist, dass das 2009 in Konkurs geratene Unternehmen Deutschlands wichtigste markenunabhängige Ideenschmiede für Fahrzeugaufbauten von morgen war. Karmanns Kreativität musste sich selbst vor den großen Feinblech-Couturiers à la Pininfarina oder Bertone nicht verstecken. Vor allem vermied Karmann jahrzehntelang, das Familiensilber der raren und einzigartigen Schöpfungen unters Volk zu streuen. Weshalb die Sammlung des ehemaligen Familienunternehmens, das 2010 größtenteils von Volkswagen übernommen wurde, noch heute erhalten ist – und mit ihren zahlreichen Unikaten zu den spektakulärsten automobilen Schatzkammern weltweit gehört.
Deren Geschichte reicht 115 Jahre zurück – bis ins Jahr 1901, in dem Wilhelm Karmann einen Kutschen- und Wagenbaubetrieb übernommen hatte. Ein Jahr darauf fertigte er seine erste Motorwagen-Karosserie. Einer der ganz wenigen überlebenden Zeitzeugen dieser Ära ist der Dürkopp 8/18 PS Doppelphaeton von 1910, das älteste Automobil der Sonderausstellung.
Weithin unbekannt: Karmann arbeitete auch für die Konkurrenten von Volkswagen. In Bremen zu sehen ist unter anderem der Cabrio-Prototyp des Opel Commodore von 1967.
Bereits damals gehörten viele Automarken zu Karmanns Klientel, etwa die Adler-Werke in Frankfurt am Main. Spitzenmodell war ab 1936 der stattliche Adler Diplomat, dessen wunderschöne Cabriolet-Version von Karmann karossiert wurde. Ehrensache, dass die Sonderschau mit diesem faszinierenden Luxusfahrzeug aufwartet. Ein paar Klassen bescheidener, aber umso entzückender ist der 1939er Ford Eifel Roadster mit Karmann-Aufbau, der Anfang Februar in Bremen vorfährt.
Die Nachkriegsjahre läutet eine echter Mythos ein: der hochmodern gestaltete Hanomag Partner, mit dem der Nutzfahrzeughersteller 1951 in den Personenwagenbau zurückzukehren plante. Das Vorhaben wurde verworfen, alle 20 bei Karmann gefertigten Prototypen verschrottet … hieß es jahrzehntelang. Tatsächlich entkam ein einziger Vertreter der Schrottpresse – und ist in Bremen als einzigartiges Original erlebbar.
In der folgenden Epoche prägten Sonderaufbauten für Volkswagen das Portfolio des Osnabrücker Karossiers. Die Serienmodelle sind bestens bekannt. Nicht jedoch die entsprechenden Studien und Prototypen, die im Scheinwerferlicht der Sonderschau stehen werden. Der formale Archetyp des VW Karmann-Ghia von 1953, der im Konzeptstadium verworfene „Coupé-Käfer“ (1962), der „große Karmann“ Typ 34 als 1965er Einzelstück 1600 TL mit Fließheck, die exotische Sportwagen-Stilstudie Typ 1 Cabriolet von 1965. Diese und weitere kaum bekannte Denkmodelle, die Karmann einst für seinen Großkunden kreierte, dürfen an der Weser endlich bewundert werden.
Auch die exotische Sportwagen-Stilstudie Typ 1 Cabriolet von 1965 gehört zu den Exponaten der Karmann-Sonderschau in Bremen.
Daneben sorgen ein paar Exponate für Überraschungsmomente ganz anderer Art; wer weiß schon, dass Karmann damals auch für Volkswagens größten Konkurrenten Opel arbeitete? Zeugnisse sind die Cabrio-Prototypen der Opel-Typen Commodore (1967) und Manta (1970) – neben dem ehemals schnellsten deutschen Serienauto, dem extrem seltenen Opel Diplomat Coupé von 1965, der ebenfalls das Prädikat „Made in Osnabrück“ trägt. Der „Pik As“, die 1973 gestaltete Vision eines rassigen Audi-Sportcoupés, bildet schließlich das chronologische Finale des Feuerwerks.
Die Bremen Classic Motorshow findet statt von Freitag bis Sonntag, 3. bis 5. Februar 2017, in allen Hallen der Messe Bremen. Die Hallen sind von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Tageskarte ab 16 Euro. Mehr Infos unter www.classicmotorshow.de.