Überblick über die Marktlage

Marktwerte ermitteln und beurteilen - Preisfrage: Was ist der Oldie wert?

AUTO CLASSIC zeigt, wie man mit "Hausmitteln" einen ersten Überblick über die Marktlage bekommt.

 
Egal ob Gutachter oder eigene Bewertung: Sorgfalt bei der Begutachtung ist wichtig. © Heinz E. Studt/Jörn Müller-Neuhaus
Egal ob Gutachter oder eigene Bewertung: Sorgfalt bei der Begutachtung ist wichtig.

Aus dem Lied „A Mensch möcht i bleibn“ von Wolfgang Ambros stammt die Zeile „Nit olles wos an Wert hot, muass a an Preis hob’n“. Dem werden viele Oldtimer-Liebhaber in Bezug auf das eigene Fahrzeug zustimmen. Dennoch ist es oft wichtig, eine Vorstellung über den tatsächlichen Marktwert eines Klassikers zu haben.

Sei es zum Abschluss einer Versicherung, beim Kauf oder Verkauf oder bei der Entscheidung darüber, ob die 4.000-Euro-Lackierung für den Oldie , der in Zustand 2 einen Marktwert von 8.000 Euro hat, tatsächlich sinnvoll ist. Oder einfach, weil man wissen möchte, was das eigentlich unbezahlbare Schätzchen in der Garage für einen Wert hat.

Richtschnur Marktwert

Das generelle Problem bei der Wertermittlung ist, dass die Kriterien dafür vielfältig und nicht „generalisierbar“ sind. So kostet ein VW T1-Bus dank einer riesigen Fangemeinde ein vielfaches eines gleich guten Ford Transit mit vergleichbarer Ausstattung. Ein Ford Granada 3.0 GXL ist trotz seiner Luxusausstattung nur halb soviel wert, dafür aber doppelt so selten wie ein Mercedes W108.

Das zeigt, dass „weiche“ Faktoren wie etwa das Markenimage, der potentielle Fahrspaß, den ein Modell bietet oder einfach der Nostalgiefaktor für den Wert oft wichtiger sind als technische Raffinessen oder gebaute Stückzahlen. Sogar die Farbe eines Klassikers kann eine Rolle spielen: ein Jaguar E-Typ im populären und klassischen British-Racing-Green wird sich besser und teurer verkaufen als dasselbe Auto im ebenso serienmäßigen Bronzemetallic!

Wert ermitteln ohne Kosten

Unabhängig von Fahrzeugspezifischen Kriterien wie Farbe, Ausstattung oder Zustand kann der Marktwert eines bestimmten Modelles auf verschiedene Weise recherchiert werden. Man kann Oldtimerkataloge mit Preisen und Marktbewertungen kaufen, oder sich auf den Sachverstand und die Marktübersichten von Experten wie EurotaxSchwacke verlassen. Möchte man einen Klassiker kaufen oder verkaufen, kann ein professionelles Wertgut­ achten eine sehr gute Entscheidungs-Grundlage sein.

Wenn es „nur“ darum geht, einen ersten Eindruck darüber zu erhalten, welchen Wert ein bestimmtes Fahrzeug, sagen wir ein BMW 2002, Baujahr 1971, hat, gibt es eine große Anzahl kostenloser Informationsquellen.

  • - Markenclubs sind zum Beispiel wertvolle Quellen, deren Mitglieder den Wert ihrer Fahrzeuge meist sehr genau kennen. Fragt man diese Kenner, wird man etwa erfahren, dass ein BMW 2002 in gutem 3er-Zustand zu Preisen zwischen 5.000 und 8.000 Euro gehandelt wird oder das der Sommerspaß mit einem vollrestaurierten MGB-Cabrio nicht unter 15.000 Euro zu haben ist.
  • - Eine weitere Quelle sind natürlich Kleinanzeigen, wie sie in der AUTO CLASSIC in jeder Ausgabe zu finden sind, die Tageszeitung und natürlich die Verkaufsportale im Internet wie beispielsweise Ebay, Mobile.de, autoscout24.de und viele andere. So sind bei Mobile.de im Schnitt immer über 10.000 Old- und Youngtimer im Angebot. Die dort genannten Preise spiegeln zwar die – nicht immer marktgerechten – Vorstellungen der Verkäufer wieder, vermitteln aber in der Summe dennoch einen guten Eindruck darüber, zu welchen Preisen ein bestimmtes Fahrzeug gehandelt wird.
  • - Unverzichtbar für die Wertermittlung ist natürlich die Szene selbst. Gehen Sie auf Oldtimertreffen und Oldie-Stammtische, sprechen Sie mit Besitzern und Sie werden allmählich ein Gefühl dafür erhalten, welchen Wert ein bestimmtes Fahrzeugmodell hat. Sie werden erfahren, warum bestimmte Versionen beliebter sind als andere und wieso es manchmal reizvoll sein kann, abseits vom Mainstream zu wandern und weniger populäre Fahrzeuge in die Wahl zu ziehen. Kurz gesagt: Ein guter VW-Porsche 914 für 10.000 Euro kann ebensoviel Spaß bereiten und ist zudem noch seltener wie ein 911er, der mindestens das Doppelte kostet.

Korrekten Preis ermitteln

Mit dem Marktwert im Hinterkopf kann der Preis eines konkreten Fahrzeuges sinnvoll bewertet werden. Beispiel: Ein Fahrzeug, dass im Zustand 2 einen Marktwert von 10.000 Euro hat, aber für 20.000 Euro zum Verkauf angeboten wird, ist entweder außergewöhnlich gut oder der Besitzer unterliegt einer Fehleinschätzung.

Anders herum ist es sogar noch gefährlicher: Wenn ein Klassiker deutlich unter dem für seinen Zustand üblichen Marktwert angeboten wird, ist selten der Besitzer im Irrtum. Meist ist das Auto schlicht nicht so gut, wie es auf den ersten Blick erscheint. Der individuelle Fahrzeugwert wird außer zum Kauf und Verkauf vor allem benötigt, um den Wert für die Versicherung zu dokumentieren. Ob Sie den Wert anhand der verfügbaren Informationen von Clubs, Experten und eigenem Knowhow selber festlegen oder ein professionelles Gutachten benötigen, hängt vom Einsatzzweck ab.

Für Kauf und Verkauf ist kein Gutachten nötig, solange der Geschäftspartner die vorliegenden Angaben akzeptiert. Vor allem dann, wenn Sie ein höherpreisiges Fahrzeug kaufen möchten, kann es allerdings durchaus zielführend sein, vom Verkäufer eine Bewertung eines unabhängigen Gutachters zu verlangen. Häufig liegt solch ein Gutachten vor, das für die Versicherung angefertigt wurde. Ist dies einigermaßen aktuell, kann man sich daran gut orientieren.

Existiert kein Gutachten, wird sich ein Verkäufer mit reinem Gewissen nicht sträuben, eines erstellen zu lassen. Im Zweifelsfall bieten Sie ihm die Übernahme eines Teiles der Gutachtenkosten an –das ist immer noch preiswerter als der Katzenjammer, wenn nach dem Kauf wertmindende Fehler entdeckt werden!

Im Umkehrschluss lauten unsere Tipps für den Verkauf eines Fahrzeuges: Sorgen Sie nicht nur für einen wertgerechten, gut beurteilbaren Zustand des Fahrzeuges, sondern auch für eine lü-ckenlose (Original-)Dokumentation seiner Geschichte. Das schafft eine Vertrauensbasis für die Verkaufsverhandlungen und stärkt Ihre Position als Verkäufer.

Und wenn Sie ein Gutachten besitzen – etwa von der Versicherung – zeigen Sie es her und werben Sie damit in den Verkaufsanzeigen!

Versicherungs-Gutachten

Wenn die Versicherung ein Gutachten für den zu versichernden Klassiker verlangt, klären Sie vorab, welchen Umfang dieses Gutachten haben muss. Meist sind die Versicherer mit einer preiswerten „Kurzbewertung“ zufrieden. Nur bei ganz ausgesuchten und sehr hochpreisigen Fahrzeugen bestehen sie auf umfangreichen Gutachten, die dann auch recht teuer (mehrere hundert Euro) werden können, weil der Arbeits- und Zeitaufwand für den Gutachter dann deutlich höher liegt.

Der so ermittelte Marktwert hat direkten Einfluss auf den Versicherungswert des Fahrzeuges. Wenn ein Fahrzeug mit einem Marktwert von 10.000 Euro versichert wurde, der Wert aber tatsächlich 15.000 Euro beträgt, ist zwar die Versicherungssumme – bei Vollkasko berechnet die sich aus einem bestimmten Prozentsatz des Marktwertes – niedriger, aber im Falle eines Schades gibt es auch weniger Geld.

Hierzu ein Beispiel: Ein MGB mit einem tatsächlichen Marktwert von 15.000 Euro ist mit 10.000 Euro Marktwert Vollkasko versichert. Wenn jetzt bei einem Unfall der Gutachter eine Schadenssumme von 12.000 Euro attes-tiert, liegt dieser über dem versicherten Marktwert, der Wagen wird als Totalschaden bewertet oder der Schaden wird nur anteilig zu 75 Prozent beglichen, weil der Wagen „unterversichert“ war. Wäre derselbe Wagen mit 15.000 Euro versichert, würde die Versicherung die anstehenden Kosten von 12.000 Euro anstandslos und ohne Abzüge übernehmen.

Besonders bei Fahrzeugen mit vergleichsweise niedrigem Marktwert kann im Übrigen ein Gutachten, das den hervorragenden Zustand und den daraus resul­tierenden eventuell überdurchschnittlichen Marktwert dokumentiert im Schadensfall sehr wichtig sein. Versicherer tendieren nämlich gerne dazu, bei der Schadensregulierung den für sie kostengünstigsten Weg einzuschlagen, und ein unabhängiges Gutachten liefert Ihnen die Argumente, dies zu verhindern.

Die Kosten …

Die Kosten für eine Oldtimer-Bewertung berechnen sich nach der Gutachtenart sowie dem daraus resultierenden Zeitaufwand des Gutachters. Das muss nicht teuer sein: So verlangt der TÜV Rheinland nur 91 Euro für ein Oldtimer-Basisgutachten inklusive HU und Prüfung auf H-Kennzeichen-Fähigkeit. Bei Olditax Deutschland gibt es Kurztaxierungen bereits ab 105 Euro, ausführliche Gutachten werden nach Aufwand und Umfang vereinbart. Classic Data berechnet für ausführliche Bewertungen zwischen 190 und 390 Euro, für das „Auffrischungs-Gutachten“ nach ein, zwei oder mehr Jahren etwa 100 Euro.

Die Kosten für ein Basisgutachten, das für die meisten Anforderungen wie Versicherung, Kauf und Verkauf, absolut ausreichend ist, sind also selbst für preiswerte Klassiker überschaubar. Und sie geben dem Besitzer einen realistischen Marktwerkt und schaffen so Sicherheit, insbesondere im Schadensfall und der sich daran eventuell anschließenden Diskussion mit der Versicherung über den Wert des Fahrzeuges.

Fazit

Wie immer Sie auch den Marktwert eines Klassikers ermitteln, wichtig ist vor allem, dass die Bewertung nachvollziehbar und glaubhaft ist. Hier wird nicht nur von Privatpersonen sondern auch von Gutachtern gelegentlich der Kostenaufwand etwa für eine Restauration irrtümlich mit dem Marktwert gleichgesetzt.

Das führt dann zu Gutachten, in denen beispielsweise einem Opel Rekord ein Marktwert von 20.000 Euro zugesagt wird. Soviel Geld kann man zwar investieren, denn der Restaurierungsaufwand ist für einen Rekord nicht unbedingt kleiner als für einen Hochpreis-Oldie. Man wird es aber nicht zurückerhalten bei einem eventuellen Verkauf.

Was aber in erster Linie nur zeigt, dass sich der Wert eines Liebhaberstückes nicht zwangsweise aus dem Preis ergibt!

TEXT und FOTOS: Heinz E. Studt/Jörn Müller-Neuhaus
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